Drachenklänge
zusammen sah, versetzte es ihm jedes Mal einen Stich ins Herz.
»Der Junge ist sehr lieb zu Camo«, erzählte Silvina ihm eines Abends. »Er ist gar nicht wie die anderen Lehrlinge, die immer irgendwelchen Schabernack aushecken, und den kleinen Camo scheint er aufrichtig gern zu haben.« Sie unterbrach sich und sah Robinton an. »Weißt du, Rob, in Sebell hast du einen Sohn ganz nach deinem Herzen. Und Sebell ist nicht der einzige Lehrling, der dich vergöttert. Gib ihnen ruhig die Liebe, die Camo nicht erwidern kann. Die anderen Jungen haben deine Zuneigung verdient, jeder auf seine Weise, und du nimmst Camo ja nichts weg.«
»Ich wünschte mir, ich könnte etwas für unser Kind tun«, seufzte Robinton.
»Du tust schon sehr viel für Camo. Er liebt dich.
Wenn er deine Stimme hört, fängt er gleich an zu lächeln.«
Er sah ein, dass Silvinas Rat, er solle seine Aufmerksamkeit auf seine »vielen Söhne« konzentrieren, ein vernünftiger Vorschlag war. Also hörte er auf, darüber nachzugrübeln, was Camo alles nicht konnte, und akzeptierte ihn genauso unbefangen wie seine Mutter es längst tat. Er erfreute sich an seinem fröhlichen Lä-
cheln und lobte ihn für jeden Fortschritt, den er mach-501
te. Mit der Zeit lernte Camo laufen, selbständig essen und einfache Arbeiten für seine Mutter zu erledigen –
bei denen Sebell ihm oftmals half.
Gelegentlich erhielt Robinton Besuch von F'lon. Nemorth hatte immerhin vierundzwanzig Eier in den
warmen Sand der Brutstätte gelegt, und nun wartete man gespannt auf das Schlüpfen.
Wenn Robinton manchmal um einen Transport auf
einem Drachen bat, schickte F'lon den blauen Reiter C'gan. Robinton freute sich stets auf diese Treffen, denn C'gans unverwüstliche gute Laune wirkte auf ihn wie ein belebendes Elixier. C'gan holte ihn auch ab, als im Benden Weyr die Gegenüberstellungszere-monie kurz bevorstand und Robinton in seiner Eigenschaft als Meisterharfner dabei sein musste. Leider ge-schahen diese Ereignisse viel zu selten. Die Aufzeichnungen der Harfnergilde besagten, dass in früheren Zeiten wesentlich mehr Gegenüberstellungen stattfan-den. Allerdings hatte es damals auch noch sechs Weyr gegeben.
»Der ältere Junge ist groß gewachsen, aber ich finde, Manoras Sohn ist noch ein wenig zu jung«, erzählte C'gan dem Meisterharfner, als sie zu dem blauen Tagath eilten, der ungeduldig im Hof wartete. Der blaue Reiter hatte Robinton nur wenige Minuten Zeit gelassen, um sich ein passendes Festtagsgewand anzuziehen, und nun hob er ihn beinahe auf Tagaths Rücken.
»Aber F'lon setzt alles auf eine Karte, damit beide Jungen Drachenreiter werden. Es gibt ja wirklich nicht mehr viele Gelege, die zudem noch wesentlich kleiner ausfallen als früher. Für häufige Paarungsflüge ist Nemorth auch viel zu fett. Und nun hoch mit dir!«
»Guten Tag, Tagath«, grüßte Robinton und streichelte die blaue Schulter, während er sich zwischen die Nackenwülste setzte. Die Gitarre hielt er auf dem Schoß.
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Tagath drehte den Kopf und sah Robinton an. Jeder Tag, an dem junge Drachen schlüpfen, ist ein guter Tag, Harfner.
»Er hat mir geantwortet!« freute sich Robinton.
»Mein Tagath ist nicht besonders gesprächig. Auch mit mir unterhält er sich nicht oft. Es tut ihm gut, wenn er mal mit einem Außenstehenden plaudert.«
Tagath sprang mit einem wuchtigen Satz in die
Höhe, und Robintons Nase prallte gegen die Stimmwirbel seiner Gitarre. Robinton betastete noch seine Nase, um festzustellen, ob sie blutete, da gab C'gan auch schon das Kommando zum Sprung ins Dazwischen .
Im nächsten Moment schwebten sie über dem Benden Weyr, und Robinton stockte der Atem. Im Kraterkessel wimmelte es von Leuten, die zur Brutstätte strömten. Drachen zogen immer engere Kreise über dem erloschenen Vulkankegel, ließen sich auf felsigen Galerien nieder und fädelten sich durch die engen Tunnel der Bergflanke, die zu der Brutkaverne führten. Facettenaugen glühten in allen Schattierungen von Blau und Grün, durchsetzt von gelben Funken, die von ihrer Aufregung zeugten.
Tagath landete unweit des Eingangs zur Brutstätte.
Ein durchdringendes Summen verriet Robinton und
C'gan, dass das Schlüpfen kurz bevorstand.
Robinton glitt von Tagaths Rücken hinunter, bedankte sich für den Ritt und schloss sich den Menschen an, die in die Kaverne eilten.
»Hierher, Rob!« brüllte F'lon und winkte ihn zu
sich. Er saß auf einer erhöhten Felsenplatte, auf der auch Nemorth hockte. »Ich habe schon
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