Drachenklänge
ließ sie es auch noch zu, dass ein anderer als sein Vater ihn unterrichtete.
Er stapfte aus dem Zimmer und verließ die Wohnung. Als er sich anschickte, die Treppe hinunter zu steigen, kam Meister Gennell aus seinen Räumlichkeiten geflitzt und fing ihn ab.
»Ah, Petiron, ich muss mit dir reden …«
Petiron blieb stehen und spähte die Treppe hinab.
Er fragte sich, wohin Merelan und sein Sohn gegangen waren. Der Meisterharfner hatte das Recht, seine Zeit zu beanspruchen, wann immer er wollte, doch im Augenblick war Petiron nicht nach einer Unterhaltung zumute, egal, wie dringlich das Thema war. Ausnahmsweise stellte Petiron seine persönlichen Belange über seine berufliche Pflicht. Er musste seine Gemahlin und seinen Sohn finden. Sofort! Ehe Robintons musikalische Ausbildung völlig in die falschen Hände geriet und noch mehr Schaden angerichtet wurde.
»Jetzt gleich, Petiron«, begann Meister Gennell. Stirnrunzelnd brach er ab, als er Petirons Zögern, sein offenkundiges Dilemma, bemerkte.
»Bei allem Respekt, Meister …« entgegnete Petiron, dem es schwer fiel, einen höflichen Ton anzuschlagen.
»Jetzt gleich, Meister Petiron!« wiederholte Gennell energisch.
»Mein Sohn …« Krampfhaft suchte Petiron nach
einer Entschuldigung.
»Ich will über deinen Sohn mit dir reden«, betonte Gennell. Seine finstere Miene erstickte Petirons Ausflüchte im Keim.
»Über Robinton?«
Gennell nickte, dirigierte den Meisterkomponisten in sein Arbeitszimmer und schloss hinter ihnen die Tür.
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»Über Robinton!« Er bot Petiron einen Platz an, setzte sich ihm gegenüber und verschränkte die Hände in einer Weise, die die Ernsthaftigkeit dieses Gesprächs unterstrich. »Als Meisterharfner bin ich für die Bewohner der Harfnerhalle verantwortlich.« Petiron nickte, und Gennell fuhr fort. »In Wahrnehmung meiner Pflichten habe ich Merelan für das kommende Jahr nach Burg Benden versetzt.«
»Das geht doch nicht …« Überrascht und verärgert erhob sich Petiron halb von seinem Sitz.
»Es geht sehr wohl«, beschied ihm Gennell in so
barschem Ton, dass Petiron sich auf den Stuhl zu-rückfallen ließ. »Ich weiß, dass du neue Arien komponierst, die nur Merelan singen kann, doch ich
finde, dass du sie überforderst.« Mahnend hob Gennell den Finger. »Und deinen Sohn hast du völlig vernachlässigt.«
»Mein Sohn … ich muss mit dir über meinen Sohn
sprechen, Gennell. Er komponiert bereits …«
Gennell hob noch einen Finger. »Anscheinend bist du der Einzige in der Harfnerhalle, der nicht weiß, dass Robinton ein musikalisches Genie ist.«
»Ein Genie? Wegen ein paar läppischer Liedchen …«
»Petiron!« donnerte Gennell ungeduldig. »Der Jun-ge spielt auf seiner Flöte oder Gitarre jede erdenkliche Weise vom Blatt – sogar Melodien, die du geschrieben hast – ohne einen einzigen falschen Ton anzuschlagen.
Er stellt Instrumente her, die gut genug sind für das Harfnersiegel.«
»Diese Trommel, die er gebastelt hat, war nicht ausreichend«, hielt Petiron ihm entgegen.
»Seine erste Trommel war beinahe gut genug. Die
anderen, die er später gebaut hat, sind längst verkauft.
Das gleiche gilt für die Flöten …«
»Eine Flöte ist in seinem Zimmer …«
»Alle anderen Meister dieser Halle behandeln ihn, 122
als stünde er bereits im Rang eines Lehrlings, Meisterkomponist Petiron«, schnauzte Gennell. »Wir verlangen nichts von ihm, das er nicht von sich aus bietet, und seine Leistungen entsprechen denen eines Lehrlings im zweiten Ausbildungsjahr.«
Petiron zog die Mundwinkel nach unten. »Aber er
ist mein Sohn …«
»Das fällt dir reichlich spät ein, Petiron«, kanzelte Gennell ihn in einem Ton ab, den er sich normalerweise für aufmüpfige Studenten vorbehielt. Dann glättete sich seine Miene. »Du bist der beste Komponist, den es in den letzten zweihundert Planetenumdrehungen auf Pern gegeben hat, Petiron, und dafür zollen wir dir Respekt. Deine Obsession, dein totales Engage-ment, befähigen dich, diese extravagante und komplexe Musik zu schreiben. Doch gleichzeitig macht dich das blind für andere Dinge des Lebens, die mindestens genauso wichtig sind. Über deinen Kompositionen vergisst du deine Frau und dein Kind. Und als ich von Burg Benden einen Brief erhielt, in dem man mich bat, jemanden zu empfehlen, der Gesangsunterricht erteilt, dachte ich sofort an Merelan. Als ich sie fragte, ob sie bereit wäre, dorthin zu gehen, sagte sie zu. Der Burgherr von Benden hat Kinder in Robs
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