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Drachenklänge

Drachenklänge

Titel: Drachenklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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hörte, zog er sich das Kissen über den Kopf und hielt sich die Ohren zu, bis er kein Geräusch mehr vernahm außer dem Klopfen seines Pulses.
*
    Robinton musste vor allen Meistern der Harfnerhalle eine Probe seines Könnens ablegen, ehe er als Solist 194
    akzeptiert wurde. Das machte ihn ein wenig nervös.
    Und seine Mutter tobte, als sie von diesem Test erfuhr.
    »Zweifelst du an meinem professionellen Urteil, Petiron?« zischte sie, als sie von diesem Arrangement hörte. Alle Fenster standen offen, und Robinton bekam jedes einzelne Wort mit.
    »Jeder Sänger, der in der Harfnerhalle zum Solisten aufsteigen möchte, muss vorsingen«, gab sein Vater gereizt zurück.
    »Aber nur, wenn er hier völlig unbekannt ist«, hielt Merelan ihm entgegen.
    »Keiner soll mir vorwerfen, ich würde meinem Sohn einen Status verschaffen, der vielleicht einem Besseren gebührt.«
    »Es gibt keinen zweiten Knabensopran, der besser wäre als Robinton. Jeder außer dir scheint zu wissen, dass er ein begnadeter Sänger ist.«
    »Dann macht es ja nichts aus, wenn wir uns strikt an das Protokoll halten.«
    »Protokoll! Protokoll? Für deinen eigenen Sohn?«
    »Selbstverständlich. Für ihn gelten die Regeln mehr als für alle anderen. Das musst du doch einsehen, Merelan.«
    »Ich wünschte, ich könnte es, Petiron. Ich wünschte mir wirklich, ich könnte dich verstehen.«
    Robinton zuckte zusammen, als er die Außentür zuschlagen hörte. Ein Kloß saß ihm in der Kehle, und er sagte sich, dass er sich jetzt beherrschen müsse. Er wusste, dass er eine hervorragende Ausbildung genossen hatte, und er wollte vor aller Welt – besonders vor seinem Vater – sein Talent beweisen.
    Da er seinem Publikum gegenüber stand, bemerkte
    er die aufmunternden Gesten. Seine Mutter nickte ihm voller Zuversicht zu, als sie die Einleitung zu dem Stück spielte, das er als Erstes interpretieren wollte. Er sollte zwei Lieder singen, eines seiner Wahl 195
    und danach eine Weise, die er noch nie zuvor gesehen hatte.
    »Das dürfte schwierig werden«, hatte Merelan ihrem Mann dargelegt. »Denn er kennt sämtliche Musikstücke, die es gibt.«
    »Eines kennt er ganz gewiss nicht«, gab Petiron
    zurück, und damit war dieses Thema für ihn beendet.
    Robinton begann mit dem Lied der Fragen, bei dem alle Anwesenden aufhorchten, einschließlich sein Vater. Er traf jeden Ton korrekt und zeigte eine ausgezeichnete Atemtechnik.
    »Eine seltsame Wahl«, kommentierte Petiron, als der herzliche Applaus verklang. Dann reichte er seinem Sohn zwei Notenblätter. »Das wäre Londiks nächstes Solo gewesen. Nicht einmal er hat die Partitur gesehen. Du hast ein paar Minuten Zeit, um dich damit vertraut zu machen.« Er ließ sich Merelans Gitarre geben und nahm auf einem Stuhl Platz, weil er selbst die Begleitung übernehmen wollte.
    Mit einem flauen Gefühl in der Magengrube widmete sich Robinton den Notenblättern, die voll geschrieben waren in der kühnen Handschrift seines Vaters. Doch dann atmete er erleichtert auf. Wenn sein Vater glaubte, die Partitur wäre für ihn zu schwierig, konnte er sich auf eine angenehme Überraschung gefasst machen.
    »Ich bin soweit«, verkündete Robinton.
    »Du hättest dir mehr Zeit zum Lesen nehmen sollen«, tadelte sein Vater.
    »Ich habe die Noten im Kopf«, erwiderte Robinton.
    Sein Vater wusste nicht, wie schnell er ein Musikstück auswendig lernte, selbst die komplexen Tempi und die ungewöhnlichen Intervalle, die Petiron so sehr liebte, bereiteten ihm keinerlei Schwierigkeiten. »Er schreibt diese sprunghafte Musik, damit sein Publikum nicht einschläft«, hatte einmal ein Lehrling behauptet.
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    »Mach den Jungen nicht nervös, Petiron«, mischte sich Meister Gennell ein. »Wenn er sagt, er ist soweit, wollen wir ihn beim Wort nehmen.«
    »Ich spiele den ersten Takt und beginne dann noch einmal von vorn«, erbot sich Petiron, als würde er Robie damit eine besondere Gnade erweisen.
    Robinton sah, wie seine Mutter warnend einen Finger hob, und enthielt sich einer Entgegnung. Dafür war sein stimmlicher Einsatz optimal. Obwohl es eigentlich nicht nötig war, hielt er den Blick auf die Noten geheftet, weil er seinem Vater nicht in die Augen schauen konnte.
    Mühelos meisterte er die abnormen Intervalle und Tempi, die in rasanter Folge wechselten. Es gab einen Lauf, der Londiks großartiger Stimme angemessen
    war, und einen Triller, der eine regelrechte vokalis-tische Akrobatik erforderte. Nichts war Robinton zu schwer, denn er hatte

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