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Drachenklänge

Drachenklänge

Titel: Drachenklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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gelassen zu bleiben, wie es sich für Harfner schickte.
    Die Sitte verlangte es, dass die neuen Gesellen von ihrem niedrigen Platz am Lehrlingstisch zum Tisch der Harfnergesellen eskortiert wurden.
    Gennell zog eine Liste aus seiner Tasche und tat so, als bereite es ihm Mühe, sie zu entziffern.
    »Geselle Kailey.« Der ehemalige Lehrling sprang auf die Füße, und ein schmunzelnder Gesellenausbilder kam unter lärmendem Applaus auf ihn zu. Während
    man im Takt weiterklatschte, stimmte man den traditionellen Sprechgesang an: »Geh, Kailey, geh! Für dich ist es Zeit zu gehen. Geh, Kailey, geh! Tritt ein in dein neues Leben. Geh, Kailey, geh!«
    »Geselle Kailey, du gehst nach Keroon, in die Festung an der Weiten Bucht«, verkündete Gennell mit erhobener Stimme.
    Zehn weitere Lehrlinge rückten an den Gesellentisch auf, zuletzt der beliebte Evenek. Zwei Gesellen 239
    lieferten sich zum Schein einen Streit darüber, wer ihn eskortieren durfte. Evenek sang einen lyrischen Tenor und war oft zusammen mit Merelan aufgetreten. Die Meistersängerin klatschte begeistert Applaus, als Gennell Eveneks neuen Posten bekanntgab. Er wurde nach Burg Telgar geschickt, eine der angesehensten Festungen überhaupt.
    Ein freier Stuhl blieb noch übrig – und acht potenzielle Bewerber.
    Gennell wartete, bis Evenek seinen Platz eingenommen und die Glückwünsche empfangen hatte.
    »Jeder hier weiß, dass ein Harfner über viele Talente verfügen muss. Dabei wurden einige besonders Begnadete von der Natur über Gebühr belohnt«, fuhr Gennell mit geheimnisvoller Miene fort.
    Robinton betrachtete die Lehrlinge, die noch für eine Erhöhung in den Gesellenstand in Frage kamen.
    Kailey und Evenek waren die Begabtesten ihres Jahr-gangs — keiner der restlichen war »über Gebühr« mit Talenten gesegnet.
    »Der Brauch verlangt eine Lehrzeit von vier Planetenumläufen, um vom Lehrling zum Gesellen aufzurücken«, erläuterte Meister Gennell. »Aber wenn es einen Anwärter gibt, der die Grundvoraussetzungen erfüllt und obendrein noch mit einer sehr seltenen musikalischen Begabung ausgestattet ist, dürfen wir eine Ausnahme machen.«
    Im Saal machte sich Unruhe breit. Jeder war gespannt, wer der Glückliche sein würde, der als Zwölfter die Tische wechselte. Die Lehrlinge im vierten Jahr waren genauso ratlos wie alle anderen.
    »Geselle Shonagar, als du vor zwei Jahren deine
    Ausbildung beendet hast, erwarbst du dir das Recht, beim Wechseln der Tische mitzuwirken. Hiermit fordere ich dich auf, von deiner Autorität Gebrauch zu machen.«
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    Aller Augen richteten sich auf Shonagar, der von seinem Platz aufstand und sich gemessenen Schritts dem Tisch näherte, an dem die Lehrlinge im dritten Ausbildungsjahr saßen. Dabei setzte er das betont lässige Grinsen auf, das für ihn typisch war.
    Robinton erstarrte, als Shonagar unverhofft vor ihm stehen blieb. Seine Kinnlade klappte herunter, und seine Augen weiteten sich vor Überraschung.
    »Mach den Mund zu und glotz nicht so blöde«, zischelte Shonagar ihm zu. »Denk daran, jetzt zahlst du es ihm heim, auf die einzige dir mögliche Weise.«
    Shonagars Grinsen zog sich in die Breite.
    Robinton hatte immer noch nicht ganz begriffen,
    was mit ihm geschah – er wurde zum Gesellen befördert – als Shonagar ihn kurzerhand unter den Ellbogen fasste und ihn auf die Füße stellte. »Geh, Robinton, geh!« Mit dieser Aufforderung bugsierte Shonagar den Jungen in Richtung des Gesellentisches. »Geh, Robinton, geh!«
    »Und es wurde höchste Zeit!« rief Meister Washell über das allgemeine Händeklatschen und Skandieren.
    Er sprang hoch und fiel überschwänglich in den Singsang und das Geklatsche ein. Meister Bosler folgte seinem Beispiel. Betrice sprang als Nächste von ihrem Stuhl auf, gefolgt von allen anderen Meistern. In der Tür drängte sich das Küchenpersonal und trug zu
    dem Lärm und der Aufregung bei.
    Die Einzigen, die noch auf ihren Plätzen saßen, waren Robintons Eltern. Seine Mutter weinte, und sein Vater schien wie versteinert zu sein. In diesem Moment wusste Robinton, dass Shonagar Recht gehabt hatte mit seiner Bemerkung. Er hatte es seinem Vater heimgezahlt, auf die einzige ehrenhafte Art und Weise, die er kannte – durch Erfolg.
    » Geh, Robinton, geh! «
    Ohne sich seiner Tränen zu schämen, die ihm über 241
    das Gesicht strömten, und an dem Kloß in der Kehle schluckend, wechselte Robinton die Tische. Trotz seiner weichen Knie hielt er den Kopf stolz erhoben.
    Dann kam der

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