Drachenklänge
Augenblick, als Shonagar ihn an der Hohen Tafel vorbeiführte.
Aus tränenfeuchten Augen bedachte seine Mutter
ihn mit einem triumphierenden Blick, ehe sie sich wieder die Wangen abwischte. Weder sie noch Robinton nahmen Notiz von seinem Vater.
Als Robinton endlich den letzten freien Stuhl besetzte, zitterte er so heftig, dass er kaum die Glück-wünsche der anderen frisch gebackenen Gesellen ent-gegennehmen konnte. Er bemerkte, dass alle ihre
Rangabzeichen, einen kunstvoll geschlungenen Knoten, an der Schulter trugen, und dann spürte er, wie Shonagar ihm seinen Gesellenknoten über den Ärmel streifte und an der Schulter festzog.
»Geselle Robinton wird Meister Lobirn im Hochland zugeteilt, und wir wollen hoffen, dass unser junger Absolvent dem ehrenwerten Meister Lobirn hilft, nicht noch mehr Unfug anzustellen«, verkündete Gennell. Dann verlangte er nach Wein und Gläsern für die neuen Gesellen.
Zu irgendeinem Zeitpunkt verließ Petiron den Saal, aber Merelan blieb. Und genauso musste es sein, fand Robinton.
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Kapitel 9
nd so kam es, dass Robinton mit fünf prall gefüll-Uten Packsäcken zu seiner ersten Stellung auszog, obwohl er ein paar Erinnerungsstücke aus seiner
Kindheit in den riesigen Kellergewölben der Harfnerhalle verwahrte. Seine Mutter bestand darauf, dass er F'lon eine Trommelbotschaft schickte.
»Es kann deinem Ruf nicht schaden, wenn du auf
einem Drachen eintriffst«, beharrte Merelan.
»Das sieht nach Angeberei aus, Mutter«, meinte er.
»Andere haben auch auf dieser Art der Beförderung bestanden«, beschied sie ihm und fuhr fort, seine Habe zu packen.
Wenn er später zu Besuch in die Harfnerhalle zurückkäme, würde er im Quartier der Gesellen wohnen.
Seinen Vater hatte er seit dem letzten Abend nicht mehr gesehen, doch das wunderte ihn nicht. Von Petiron hatte er sich endgültig gelöst, sowohl als Sohn wie als Schüler. Robinton verspürte nichts als Erleichterung über diese Trennung, gleichzeitig sorgte er sich zunehmend um seine Mutter. Sie erschien ihm ungemein zerbrechlich, und ihre Hände zitterten leicht, als sie seine Panflöte einwickelte und in den Packsack steckte. Dieser Abschied fiel ihnen beiden schwer.
»Du würdest drei Lasttiere brauchen, um den ganzen Kram zu befördern«, sagte sie und schniefte. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, als er sich über sie beugte, um zu sehen, ob sie weinte. »Ach, ich werde dich vermissen, mein Junge.« Sie legte die Hände auf 243
seine Arme und blickte ihn aus feuchten Augen an.
»Du wirst mir sehr fehlen, aber gleichzeitig bin ich froh, dass du deinem Vater endlich nicht mehr im Wege
stehst. Die Beförderung zum Gesellen war das Beste, was dir passieren konnte.«
»Hat … hat er sich dazu geäußert?«
»Nein.« Sie lachte verlegen und verstaute die restlichen Sachen. »Er hat nicht einmal mit mir über das Thema gesprochen, ein sicheres Zeichen, dass er mit deiner Beförderung ganz und gar nicht einverstanden ist.« Sie zuckte die Achseln. »Mit der Zeit wird er da-rüber hinwegkommen, obwohl er es Gennell nie verzeihen wird, dass dieser Entschluss über seinen Kopf hinweg gefasst wurde. Meister Gennell hat deinen Vater nämlich nicht gefragt, musst du wissen.«
»Meister Gennell kann sich wohl auf was gefasst
machen«, entgegnete Robinton bekümmert.
»Unsinn, Robie. Gennell weiß genau, was er tut,
und über den Charakter deines Vaters macht er sich genauso wenig Illusionen wie ich. Dein Vater wird eine Weile seinen Groll hätscheln und sich dann abrea-gieren, indem er höchst komplizierte Partituren kreiert, die ich singen muss.«
Besorgt blickte Robinton seiner Mutter in die Augen. »Du passt doch gut auf dich auf, Mutter, versprichst du es mir? Verausgabe dich nicht zu sehr mit diesen verzwickten Musikstücken.«
Liebevoll tätschelte sie seine Wange. »Ich werde ganz brav sein und mich schonen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, wenn Gina, Betrice und Lorra ein wachsames Auge auf mich halten – und auf deinen Vater. Ich hatte nicht die Absicht, ihn zu erschrecken, aber ich glaube, mein Zusammenbruch hat ihm Angst gemacht.
Jetzt nimmt er viel mehr Rücksicht auf mich. Er liebt mich nämlich wirklich, weißt du, auf eine ziemlich Besitz ergreifende Art. Das ist ja unser aller Problem.«
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Robinton nickte und umarmte seine Mutter. Er spür-te, wie zerbrechlich sie war und hütete sich, sie zu fest anzufassen. Dabei sehnte er sich danach, sie mit aller Kraft an sich zu drücken, denn er
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