Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Routine: Er hebt die Hand mit der aufgeklappten Identitätskarte, und allein diese Bewegung zieht den Blick des Basisarztes mit magischer Gewalt auf sich. Wer sich derart ausweist, ist für gewöhnlich ein Mensch, dem man Beachtung zu schenken hat.
Der Arzt reagiert jedoch etwas anders, als Goff erwartet hat. “Ach! Der Kollege vom MOBS!” ruft er aus, und Goff will es fast scheinen, als sei die Freude nicht gespielt, die aus diesen Worten klingt. “Endlich! Wir haben auf Sie gewartet… Wie soll es denn nun weitergehen?”
Irgendwie scheint der Mann wirklich erlöst, aber Goff hat den Eindruck, als stände der Arzt unter der Wirkung irgendeines dämpfenden Medikaments, denn dessen Freude sprudelt nicht, sie tröpfelt gewissermaßen.
Goff entgeht auch nicht der stechende Blick, mit dem Quadrangel, der abwartend schweigt, ihn bedenkt, und dieser Blick verunsichert ihn erneut. Aber Goff ist zu abgebrüht, um die Initiative aus der Hand zu geben. “Wie es weitergehen soll, Herr Kollege?” fragt er zurück und versucht einen blasierten Gesichtsausdruck, was ihm offenbar hervorragendgelingt, denn nun wenden ihm auch die anderen Ärzte ihre Aufmerksamkeit zu, die ihn bisher – abgesehen von vereinzeltem spöttischem Grinsen – nur mit der Art von Gleichgültigkeit betrachtet hatten, mit der man die Ankunft eines neuen Patienten registriert.
“Wie es weitergehen soll?” wiederholt er. “Nun – gar nicht. Die Untersuchung ist beendet.” Und in das konsternierte Schweigen hinein fügt er sicherheitshalber hinzu: “Auf Weisung des Medizinischen Observationsdienstes.”
Die Stille währt nur kurz, denn kaum haben die Besatzungsmitglieder den Sinn dieser Worte erfaßt, fangen sie an, begeistert zu johlen.
Goff muß lächeln. Er kann die Männer verstehen: Sein Eingreifen beschert ihnen mindestens vier zusätzliche Freistunden, wenn Flakke kein Unmensch ist.
Die Ärzte zeigen weniger Begeisterung.
“Das ist völlig unmöglich!” ruft ein jüngerer Mediziner. “Die Männer müssen untersucht werden, das ist Vorschrift!”
“Ich setze diese Vorschrift hiermit außer Kraft”, antwortet Goff ruhig und schwenkt zur Bekräftigung seinen Ausweis. Er spürt wieder den stechenden Blick Quadrangels auf seinem Gesicht und hat das Gefühl, daß ihm und seinem Plan vor allem von seiten des Bordarztes Gefahr droht. Es braucht nur einer auf die Idee zu kommen, beim MOBS nachzufragen – dann platzt der ganze Schwindel, denkt Goff, ich muß noch einen draufgeben.“Selbstverständlich übernehme ich als Emissär des MOBS jegliche Verantwortung”, sagt er. Solche Bluffs wirken immer. Er wurde vom MOBS zur Basis geschickt, das ist richtig und den Leuten hier bekannt. Wie weit jedoch seine Vollmachten gehen, das weiß niemand, also müssen sie ihm einfach glauben.
Quadrangel schweigt noch immer, aber der Arzt, mit dem er vor Goffs Eintreffen gesprochen hat, brummt zufrieden: “Ja – wenn Sie die Verantwortung übernehmen, Herr Kollege…”
Goff unterdrückt mit aller Kraft ein freches Grinsen. Herr Kollege! Wenn der gute Mann wüßte, daß ich Soziologe bin und mein Spezialgebiet – die divergierende Kommunikation – mit Medizin so gut wie nichts zu tun hat, der würde sich glatt die Zunge abbeißen. Dabei weiß der sicherlich ebensowenig über Gesetze und Anwendung der kommunikativen Disperson wie ich über schlechte Zähne.
Doch da meldet sich wieder die junge Stimme aus dem Gewühl. “Für eine Untersuchung, die nicht vorgenommen wird, kann man keine Verantwortung übernehmen! Ich protestiere in aller Entschiedenheit gegen Eingriffe in die Kompetenz der Basisklinik! Die Männer sind extremen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt, sämtliche Verschleißkoeffizienten liegen deutlich oberhalb der Grenzwerte…”
Ein untersetzter Mann drängelt sich durch die Menge hindurch, sein Gesicht ist rot, und er rudert behäbig mit den Armen.
Einen Moment kann Goff das Kichern nicht zurückhalten, als ihm bewußt wird, daß hier sogar die Erregung auffällig gemäßigt auftritt. Ob das an der geringeren Schwerkraft liegt? fragt er sich belustigt.
“Lachen Sie nicht, Herr Kollege! Sie wissen doch gar nicht, was Sie da verantworten wollen…” Vor Goff steht ein Mann, der die Dreißig offenbar noch nicht überschritten hat. Seine Augen funkeln ärgerlich.
Der ist richtig, den muß ich mir merken! schießt es Goff durch den Kopf. Alle anderen halten die Klappe und geben sich damit zufrieden, daß ihnen die
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