Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
möglich gehalten hätte.
Die Leute von der Ikaros stehen in Gruppen beieinander, in jeder Gruppe entdeckt Goff ein ihm fremdes Gesicht, und jeder dieser ihm Unbekannten stellt den Ikarosmännern offenbar Fragen. Goff atmet erleichtert auf. Es hat gerade erst angefangen, denkt er froh, ich komme noch zur rechten Zeit. Ihm fällt auf, daß der Bordarzt eindringlich auf einen Mann einredet, der anscheinend zum Klinikpersonal gehört, und dabei auf einen auffällig massig geratenen Raumfahrer zeigt. Bruno von der Hohen Aue, überlegt Goff, irgend etwas ist mit dem doch gewesen…? Stimmt, der Unfall, als er Styx aus der Hölle gezogen hat. Wenn alles so war, wie Skamander mir durchgegeben hat – warum hat Marigg davon nicht berichtet? –, dann ist der Dicke ein echter Held.
Goff beobachtet, wie Quadrangel dem dicken Proximer einen Wink gibt und wie der sich eilig in Bewegung setzt. Dann hört er den Bordarzt hinterherrufen: “Und vergessen Sie bitte nicht die Gewebeproben, Nummer zweiundzwanzig bis siebenundzwanzig! Sie brauchen nicht so zu rennen, Ihre Untersuchung hat sich erledigt.” Dabei blickt Quadrangel sein Gegenüber an, und dieser nickt zustimmend.
Instinktiv spürt Goff, daß hier etwas faul ist. Er kennt die Kunst der Verstellung zu gut, um das nervöse Zittern von Quadrangels Augenbrauen zu übersehen, und er versenkt diese Beobachtung tief in sein Gedächtnis.
Nun, da sein Blick und sein Gehör wieder die Schärfe gewonnen haben, die den Augen und Ohren eines Mopses eigen ist, stellt er beinahe sofort fest, daß sich Skamander betont gemächlich und träge bewegt. Ihm wird ebenso schlagartig bewußt, daß alle Bewegung in diesem Raum etwas ausgesprochen Gemütliches, Behäbiges hat.
Als er ahnt, was vorgeht, muß er gewaltsam ein Lächeln unterdrücken. Quadrangel weiß also Bescheid und hat seine Leute instruiert! Was wäre er auch für ein Arzt, bliebe ihm verborgen, daß einige seiner Schäfchen an Mungoismus erkrankt sind! Hermel Goff ist sich fast sicher, daß er nun ein Gespräch mit dem Bordarzt der Ikaros wagen kann, seine Position hat sich bedeutend gestärkt. Fürs erste schiebt er die Frage beiseite, warum Quadrangel dieses Schauspiel aufführen läßt; daß er dessen geistiger Vater ist, steht für Goff außer Zweifel.
Ihm kommt ein Gedanke, den er für geradezu teuflisch hält: Quadrangel soll zappeln! Hermel Goff geht schnurstracks auf die beiden Mediziner zu und zückt seinen Ausweis. “Trighib, meine Herren!”
Die beiden sehen ihn unwillig und etwas befremdet an. Quadrangel entdeckt offenbar zuerst den Ausweis des MOBS, und in seine Augen tritt ein merkwürdiger Glanz. Der andere schaut Goff ins Gesicht und fragt: “Bitte?”
“Trighib!” Goff kostet es weidlich aus und muß sich ein ironisches Grinsen verkneifen, statt dessen ergänzt er so ernst, wie ihm möglich ist: “Das ist die aktuelle Grußformel, werter Kollege, sie kommt von: Träumen ist gut, handeln ist besser.”
Jetzt fällt es Goff noch schwerer, nicht unverschämt zu grinsen, denn der Mann zwingt sich mühsam ein Aufleuchten ins Gesicht und erwidert: “Trighib…, natürlich, Trighib…! Verzeihen Sie, Bürger…, wir waren gerade so ins Gespräch vertieft…” Dann starrt er den Mops verwirrt an, auch andere werfen Goff merkwürdige Blicke zu.
Goff wundert sich darüber, bis ihm klar wird, warum die meisten der Anwesenden ihn mustern, als würde er brüllend und um sich schlagend durch die Klinik toben: Seine bis über die Knie reichenden Schmieggoldstiefel mit den apart nach oben gebogenen Spitzen müssen hier der allerletzte Schrei sein, und selbst der ungewohnte, weil bescheiden geschnittene Schmeichelmoosoverall erregt unter all den unmodischen Uniformen und Kombis sicherlich einiges Aufsehen. Viel mehr muß sie aber das Kunstwerk beeindrucken, das er sich ins Gesicht gezaubert hat: aschgrauer Nasenrückenschatten über einem Taubenblau auf den Lippen, an dem er stundenlang probiert hat, bis er genau den passenden Ton hatte, dazu die schmale mit Diamantstaub gepuderte Haarsträhne, die wie die Mondsichel seine Stirn teilt…
Seltsamerweise sind die Leute hier alle ungeschminkt, und daran muß es wohl liegen, daß sich Goffs Hochgefühl auf unerklärliche Weise inetwas wandelt, was verdächtige Ähnlichkeit mit Unsicherheit oder gar Scham hat.
Eine Weile ist Goff hilflos. Mit dieser Wendung in seinen Empfindungen hat er nicht gerechnet. In dieser Lage bewährt sich wieder einmal die berufliche
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