Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
zur Ungeduld. Eigentlich kann Goff einem leid tun, denn sein Dilemma ist: Wie kann man diszipliniert träumen?
Hendrikje lacht leise auf. Weniger wegen dieses vor Hitze glühenden schönen Männergesichts mit den schillernden Augen und dem zerwühlten Haar. Nein, Goffs Ekstase, in die er sich hineinredete, war vielleicht amüsant, aber nicht lächerlich. Doch Hendrikje stellt sich vor, wie er sie anschauen würde, wenn sie ihm ihr Geheimnis verriete. Warum hat sie es Goff nicht gesagt? Ganz sicher ist sie zwar noch immer nicht, und für eine Untersuchung ist es ihrer Meinung nach noch zu früh. Außerdem würde man ihr sofort dringend nahelegen, zum Nesturbanidum zu gehen. Aber gerade das will Hendrikje diesmal nicht. Egal, von wem das Kind ist, ob von Ergar oder Goff – es soll in ihrem Leib wachsen. Allerdings mußte sie sich auf eindringliche Selbstbefragung gestehen, daß ihr Ergar als Vater nicht so recht wäre…
Das gibt sowieso noch Ärger, sagt sie sich. Nicht so sehr mit ihrem Lustpartner, nein – mit den zuständigen Stellen. Sie wird sich beim BUAV melden müssen, dort wird man sie registrieren – überzeugen läßt sie sich nicht, das ist beschlossen – und ständig überwachen. Man wird ihr Kolleginnen schicken – nicht die aus dem Zentrum für Sonnenforschung natürlich und auch nicht die Sportfreundinnen aus der Fechtermannschaft –, Kolleginnen aus dem Nesturbanidum, wo sie in ihrem Drittberuf tätig ist. Die werden ihr alle Vorzüge der kollektiven Erziehung aufzählen, werden Schauergeschichten von den Geburtsqualen zum besten geben und von der Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Kind, das ohne genetische Optimierung zur Welt kommen soll, reden.
Im letzten Punkt hat Hendrikje keine Befürchtungen. Goff und sie – das gibt einen bildhübschen kleinen Menschen. Und mit Ergar würde es auch kein häßliches Kind. Aber vor der Geburt hat sie Angst, furchtbare Angst. Doch sie will es so, nicht zuletzt ist es die Neugier und auch die Gewißheit, daß Billiarden von Frauen vor ihr unter Schmerzen Leben schufen. Denn oft hat sie in den letzten Tagen gedacht: Wir haben uns daran gewöhnt, alles ohne Schmerzen zu tun. Wir haben es einfach verlernt, daß Neues nicht nur in Retorten wächst, sondern auch im Menschen wachsen muß. Dieser Gedanke rüttelt an den Säulen ihrer Wirklichkeit – vielleicht ist er deshalb so beängstigend und berauschend zugleich…
KAPITEL 17
Noch vor dem Schott zur Basisklinik knirscht Goff wütend mit den Zähnen. Er ist wütend auf sich selbst. Wie oft schon hat er spitze Bemerkungen wegstecken müssen, Vorwürfe und haßerfüllte Tiraden. Immer half ihm die Überzeugung von seiner Aufgabe. Auch Hendrikje hat ihn vor Wochen schon einmal beschimpft – damals stand er über den Dingen. Aber jetzt?
Woran zweifle ich überhaupt? fragt er sich beunruhigt. An Hendrikje, an mir – oder an meiner Idee? Sie hat wohl recht: Ich hätte ihr sagen müssen, daß es wahrscheinlich Liebe ist, was ich für sie empfinde. Es kann nur Liebe sein, sonst wäre es mir nicht so fremd und unheimlich. Aber wie kann man einen Menschen lieben, der überhaupt nichts von dem begreift, was man ist?
Das große Tor öffnet sich unendlich langsam. Goff trommelt nervös mit den Fingern gegen die spiegelglatte Wand. Teufel noch mal, die haben hier aber wirklich die Ruhe weg! denkt er mißgelaunt. Aber als erendlich die Klinik betreten kann, verrauscht sein Ärger schnell.
Ist das wirklich die Basisklinik? fragt er sich verblüfft. Oder habe ich mich in der Sektion geirrt?
Goff tritt in einen Garten; eigentlich hat er mehr das Gefühl, mitten im Dschungel zu sein. Blättergewirr, Blüten in allen Farben, sogar Wasser hört er irgendwo plätschern, und als er nach ein paar Schritten die zwischen zwei mächtigen elloranischen Seitenstrangpalmen kaum sichtbare Toilettentür entdeckt; muß er herzlich lachen, hatte er doch tatsächlich eine munter sprudelnde Quelle erwartet.
Der frische Geruch, den all das Grün verströmt, kommt ihm merkwürdig bekannt vor, vor allem in der Nähe jener kugligen kaktusähnlichen Gewächse mit den an Stacheln erinnernden feinen Röhren ist er besonders intensiv. Goff schnuppert und überlegt, dann schlägt er sich vor die Stirn. Natürlich; es ist ein Geruch, der genau in eine Klinik gehört, den er aber inmitten dieser Wildnis nicht erwartet hatte: Es riecht nach einem auf pflanzlicher Basis hergestellten Desinfektionsmittel. Neugierig betrachtet er eine dieser
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