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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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animalischen Abstammung befreien, die Wirkung der Urtriebe durch den Trieb des Schöpfertums ersetzen, genetisch Altruismus fixieren, die höchsten Ideale an biologische Mechanismen koppeln, die bisher für Befriedigung sorgten, wenn es galt, zum Beispiel die Art zu erhalten… Goff empfand keinerlei Gewissensbisse. Der Mensch war dazu fähig, die Gesellschaft als solche zu verändern, warum sollte es ihm also verwehrt sein, die größte Umgestaltung dadurch zu bewerkstelligen, daß er jedes einzelne Individuum umgestaltet?
    Das alles sollte dich jetzt nicht mehr beschäftigen, Hermel Goff. Du bist krank, du bist ein Mungo! Es gibt keine Ideale mehr für dich. Es ist aus. Aus.
    Ein neuer Gedanke entsteht in Hermel. Warum ist es aus? Ich lebe, ich lebe noch relativ lange, zumindest nach meinem Empfinden. Mein Leben wird etwas anders sein, aber warum sollte sich etwas an meinen Idealen ändern? Warum soll meine Existenz plötzlich keinen Sinn mehr haben? Es ist noch so vieles zu tun – wer oder was hindert mich daran?
    Für einen kurzen Augenblick leuchtet etwas vor Goff auf, eine Vision von einem Weg, den er gehen könnte, und das gibt ihm ein wenig Trost. Dann aber zerstört die Vorstellung von dem unausweichlichen grausamen Sterben dieses Bild, und Goff knicken die Knie ein. Er taumelt gegen eine der exotischen Pflanzen und hört ein leises Klirren. Ein feiner Strich in seiner rechten Hand bringt ihn in die Wirklichkeit zurück. Ein hauchdünner Stachel ragt aus der Handfläche. Goff blickt ärgerlich auf das Gewächs. Eine Stachlige Glaskoralle vom Planeten Asper, registriert er. Ein wenig kennt er sich aus, obwohl Exobotanik nicht gerade zu seinen Stärken gehört. Daneben steht die rissige Platte einer Kondizee vom Tronnt, umwunden von ganz und gar irdischem Grün. Die Pflanzen vertragen sich sogar über die Grenzen von Sonnensystemen hinaus, denkt Goff melancholisch. Man hätte als Pflanze zur Welt kommen sollen… Etwas versteckt zwischen dem wuchernden Blattwerk und Gesträuch ist der bauchige und beulige Stamm eines dieser elloranischen Wohnbäume, einer mächtigen, tonnenförmigen Kürbiseiche, deren Krone sich wie ein Schirm entfaltet, zu sehen.
    Eine magische Kraft zieht Goff dorthin. Dunkel blitzt in ihm der Gedanke auf, daß er sich wie ein verwundetes Tier verhält, das in die Sicherheit einer finsteren Höhle kriecht.
    Halbdämmer umfängt ihn, als er die erste blasige Kaverne betritt. Der Boden ist mit einem pilzigen, weichen Geflecht bedeckt, das sich an den Wänden bis in Brusthöhe emporzieht. Kleine kopfgroße Öffnungen in der Wandung sind mit einer pergamentartigen Membran verschlossen, die eine Ahnung von Tageslicht in das Innere fallen läßt.
    Goff fühlt sich seltsam geborgen und beschützt von diesem Raum. Irgendwie denkt er, daß er hier etwas gefunden habe, was ihm das Leben vorenthalten hat, und dieser Eindruck erstaunt ihn ob seiner Intensität.
    Aber noch funktioniert sein analytischer Verstand, und Goff fragt sich erstaunt, ob das vielleicht mit seiner pränatalen Existenz zu tun hat, mit dem Brustkasten, in dem er aus einem Eiweißtröpfchen gewachsen ist.
    Es ist ruhig und warm in diesem Baum. Goff setzt sich. Doch als er sich hinlegen will, spürt er unter seiner Hand etwas Feuchtes. Angewidert zuckt er zurück. Eine ausgelutschte Qualle. Ein irrsinniges Lachen schüttelt ihn. Goff springt auf, der Zauber ist wie weggewischt. Er stolpert zum Ausgang. Aber da entdeckt er mitten im Baum eine zweite Öffnung, dunkel und lockend.
    Es ist mehr eine unbewußte Handlung, als er seine Schritte in diese Richtung lenkt. Der Durchlaß ist so niedrig, daß Goff ihn nur gebückt durchqueren kann. Dafür ist die dahinterliegende Kaverne fast doppelt so groß wie die erste: Goff kann zwölf Schritte gehen, bis er die nächste Wand erreicht. Hier gibt es sogar Fenster, die fast so groß sind wie das Mühlrad, das Goff mal in einem Museum bestaunt hat. Der Bewuchs aus diesen moosartigen Fasern ist hier so dicht und stark, daß die Füße darin versinken. Aus dem Boden wachsen Ausstülpungen und Knollen, die man mit einiger Phantasie durchaus als Tische und Sitzmöbel benutzen könnte. Aber noch mehr erstaunen Goff die Löcher in den Wänden, die geradezu dafür geschaffen sind, etwas in sie hineinzustellen. Er erinnert sich an die mühsam zurechtgetrimmten Plusterfarnbüsche in seinem Wohnkontingent und muß lächeln. Das ist hier ganz allein so gewachsen
    – man muß nur lernen, es zu

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