Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
dann müßte ich es auch gespürt haben…”, flüstert Goff, in Gedanken versunken.
“Warum du?” Skamanders erstaunte Frage schreckt ihn auf. “Du bist kein Mungo, du bist kerngesund, Hermel!” Ein wenig Bitterkeit klang aus diesen Worten. Kein Neid – nur Bitterkeit.
Eigentlich wollte Goff es dem anderen verheimlichen. Doch nun fühlt er sich auf seltsame Weise bei der Ehre gepackt, denn irgendwie klang das, was Skamander sagte, auch ein wenig wie: Du gehörst nicht zu uns, du kannst das alles gar nicht verstehen. “Du irrst, Skamander”, sagt er leise, “ich bin ein Mungo.” Dann lacht er gepreßt.
Skamander schnappt wie ein Fisch nach Luft und starrt ihn auch so an, wie nur Fische starren können. “Sei ruhig!” brüllt er zornig, und Goff erschrickt tatsächlich, denn so impulsiv hat er den sonst sehr ausgeglichenen Proximer noch nie erlebt. “Sei ruhig! Damit macht man keine Witze! Du solltest es am besten wissen!”
Goff greift nach Skamanders Oberarm und sagt betont ruhig: “Es ist kein Witz, Skamander. Ich weiß es, seit ich das erstemal mit Quadrangel gesprochen habe. Er hat es tatsächlich früher gemerkt als ich, stell dir das vor.”
“Ja, aber…, wieso bist du dann beim MOBS?” Das naive Staunen in Skamanders Augen läßt ihn lächeln. “Ich sagte doch: Ich weiß es erst seit ein paar Tagen. Dabei hätte ich es schon Wochen vorher merken müssen, als sich die ersten Anzeichen einstellten, leichte Ermüdbarkeit, dafür aber in den Wachphasen spürbarer Energieüberschuß…, ich hätte es eben gleich merken müssen.”
“Siehst du, jetzt weißt du auch, wie das ist.” Skamander kann es offenbar immer noch nicht fassen, denn im Gegensatz zu seinen Worten sprechen aus dem Blick starke Zweifel. Aber offenbar wird ihm nun klar, daß Goff ihn nie belügen würde, denn er fährt fort: “Nun hast du es selbst erlebt: Man kriegt es nicht mit, und wenn's soweit ist, daß man eigentlich Bescheid wissen müßte, will man's nicht wahrhaben. Und wenn man sich endlich damit abgefunden hat, stellt man fest, daß es eigentlich gar nicht schlimm ist. Wenn du mir nicht erzählt hättest, wie Mungos sterben, dann wäre ich sogar sehr zufrieden mit meinem gesundheitlichen Zustand. Was meinst du, wie gut ich am Multispill bin, fast so gut wie Schnuckchen…”
Während Skamander redet, macht Goff eine erstaunliche Feststellung: Es ist für ihn wie eine Erholung, mit dem sonst so wortkargen Proximer zu sprechen. Dieses Gefühl verwundert ihn. Zwar mag er diesen geradlinigen und etwas tolpatschigen Kerl, aber bisher war nie Vertraulichkeit zwischen ihnen aufgekommen. Abgesehen von diesem Tag auf der Erde, an dem sie sich kennenlernten – aber da wußte Skamander auch hoch nicht, mit wem er sich einließ. Danach hatten sie ein gutes, vielleicht auch freundliches, aber keineswegs herzliches Verhältnis zueinander.
Heute ist es ihm richtig angenehm, Skamander zuzuhören. Und auf einmal erkennt Goff auch, woran das liegt. Skamander spricht so, wie Mungos für gewöhnlich reden. Nicht so träge und behäbig wie die Normalen. Goff muß sich nicht zwingen, langsam zu gehen, zu gestikulieren. Er muß nicht dauernd an die Glasscherben unter seinen Füßen denken… Irgendwie hat er das Gefühl, von einer Reise in die Fremde zurückgekehrt zu sein, und er begreift plötzlich, was das heißt: zu Hause sein.
Noch ein letztes Mal zuckt es wie ein schriller Schmerz durch sein Denken! Ich bin ein Mungo! Aber fast gleichzeitig springt ein anderer Gedanke in ihm auf: Ich bin nicht allein.
Und noch bevor ihm so richtig bewußt wird, wie wichtig es ist, nicht allein zu sein, formt sich in ihm die Erkenntnis, daß alles, was er bisher tat, um den Mungos zu helfen, umsonst getan war.
Die anderen können uns nicht helfen, denkt er, das können wir nur allein. Rikkitikkitavi hat recht. Sie sind Fremde für uns, so wie wir Fremde für sie sein müssen.
Aber sie wollen uns helfen, und das dürfen wir nie vergessen. Daß sie uns nicht verstehen, ist nicht zu ändern. Es ist wirklich nicht zu ändern! Nur ich weiß das. Dieses Wissen ist ungeheuer wertvoll.
Sie müssen uns endlich akzeptieren.
Hermel Goff beginnt mit diesen letzten Gedanken zu begreifen, welche gewaltige Aufgabe vor ihm steht, denn ebenso müssen die Mungos lernen, die anderen zu begreifen.
Mein Weg war richtig, denkt er. Eigentlich wollte ich es nur irgendwie anders machen, weil es nicht mehr so ging, wie es alle taten. Ich hatte nicht viel
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