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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Reaktionäre – wie es immer in dermenschlichen Geschichte war: Das Überlebte stemmt sich mit Einsatz all seiner Macht gegen das Neue, Fortschrittliche…” Sie beobachtet vergnügt, wie Ergars Gesichtsfarbe vom hitzigen Rot in fleckiges Violett übergeht.
    Als er langsam auf sie zukommt, weicht das Vergnügen zunehmender Angst. Dicht vor ihr bleibt er stehen und beugt sich herab. Aber er scheint durch sie hindurchzusehen, als er ihren Kopf in beide Hände nimmt und keucht: “Womöglich hast du recht…, womöglich sind wir, ist alles, was wir errichtet haben, inzwischen schon auf dem Abfallhaufen der Geschichte gelandet, und wir fühlen uns noch wohl dort, wo wir hingehören. Vielleicht ist Mungoismus sogar erblich, und eines Tages wird die Welt lediglich aus Schnellebigen bestehen – aber nur, wenn wir uns nicht wehren, wenn wir sie gewähren lassen, die heute noch eine Minderheit sind…”
    “Beim Großen Sirius, Ergar, was redest du? Du übertreibst doch wieder mal maßlos – was kann an den Mungos denn so gefährlich sein?” fragt sie beunruhigt.
    Ergar stöhnt gequält auf. “Nichts verstehst du, aber auch nichts! Nach der Verfassung sind sie absolut gleichberechtigte Bürger und haben Anspruch auf alle Befriedigung ihrer Bedürfnisse, soweit es gesellschaftliche Pflicht ist. Aber die Verkehrsmittel sind ihnen zu langsam, sie wollen eigene Unterhaltungsprogramme, eigene Schulen, eigene Sportveranstaltungen – überhaupt eine eigene Kultur. Begreifst du das nicht? Unsere langsame Welt ist für sie so, als wenn sie sich ewig durch einen zähen Brei kämpfen müssen. Sie fordern einfach eine ihrer Existenz angemessene Lebensqualität und zu deren Durchsetzung womöglich bald eine eigene Administration…”
    Ergar steht der Schweiß auf der Stirn. Zärtlich zieht Hendrikje ihn zu sich hinab und schließt ihn in ihre Arme. Auf einmal tut er ihr leid, denn sie beginnt zu ahnen, daß sie ihn verkannt hat. Was sind ihre lächerlichen Probleme gegen die Sorgen, mit denen er sich herumschlagen muß!
    “Aber dann gebt ihnen doch, was sie fordern”, flüstert sie und streichelt seinen Hals.
    Ergar macht sich unwillig los. “Ich sag's doch: Nichts verstehst du! Was meinst du denn, was für Reserven wir noch haben? Als unsere Gemeinschaft in den Kinderschuhen steckte, hat man einfach beschlossen, daß der Mensch Reichtum und Wohlstand braucht, um glücklich zu sein, und hat auf den Einfluß reaktionärer Ideologien hinterm Gartenzaun verwiesen. Damals hatte das seine Berechtigung, doch heute? Seither mußte es immer mehr sein und noch mehr – diese Spirale hat aber ein Ende, und wir haben es bald erreicht. Wir befinden uns in einem latenten Gleichgewicht, und die einzigen Reserven für mögliche Steigerungen liegen in uns selbst.” Er holt erschöpft Atem.
    Hendrikje hat mit abergläubischer Scheu zugehört. Falsche Orientierungen – das hatte Goff doch auch gesagt! Aber Ergars letzter Satz gibt ihr das Gleichgewicht wieder. “Die Reserven liegen in uns. Deshalb übererfüllen wir die Kennziffern…”, sagt sie fest und ist froh, daß Ergar sich selbst widerlegt hat.
    Der aber streicht ihr müde übers Haar und antwortet: “Mein kleiner Dummkopf, begreifst du es denn nicht? Wir werden selbst zu Mungos. Immer mehr, immer schneller, immer besser produzieren und konsumieren. Wir bereiten den Mungos den Weg, rollen für sie den Teppich aus. Aber wir schaffen keine neue Lebensqualität, sondern häufen nur Quantitäten an in der stillen Hoffnung, der gesetzmäßige Umschlag werde eines Tages schon eintreten. Die Reserven liegen in uns, aber in einem anderen Sinne: Wir müssen uns über den Homo technicus erheben und etwas ganz anderes werden…”
    “Zu göttlichen Wesen?” Hendrikje wagt leisen Spott, denn ihr will scheinen, Ergar hat – wie so oft – nur wieder einmal einen dramatischenAuftritt gebraucht, um seine Überlegungen anbringen zu können.
    “Ja, so ungefähr”, antwortet er zerstreut und schiebt seine Hand unter den Latz ihres Schmeichelmoosoveralls. “Wir müssen zu spielenden Göttern werden, denn nur das Spiel vereint alle Merkmale wahrer Göttlichkeit: Schöpfung und Zerstörung, Sieg und Niederlage, Genuß und Qual, Unendlichkeit in Raum und Zeit, Verstand und Gefühl. Nur das Spiel ist ewiges Werden und Vergehen…, das Spiel.” Plötzlich springt er auf. “Beim Großen Sirius! Das Selbstspiel, beinahe hätte ich es vergessen.” Er hastet zu einer Nische und zerrt die Adapterhaube

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