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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Berberfürsten. Wie gefroren und doch weich fließend hebt sich der Umriß seines Körpers aus dem glühenden Rot heraus, die Sonnenstrahlen zeichnen eine glimmende Linie um seine Kontur, und wie er bedächtig den Arm hebt und hinauszeigt auf den sinkenden Feuerball, hat er nichts Wildes, Ungezügeltes an sich, sondern steht da wie ein weiser Prophet.
    “Sie macht uns Ärger, die alte Wärmespenderin, unser Lebenslicht”, flüstert er theatralisch.
    “Ich weiß, sie fängt wieder an zu zittern”, sagt Hendrikje trocken. Heute übertreibt er wieder, denkt sie, und der Zauber seiner Erscheinung löst sich in simples rotes Leuchten auf.
    “Nichts weißt du, gar nichts”, antwortet er dumpf und hebt die rechte Hand an die Augen.
    Hendrikje wird die Aufführung widerwärtig, und sie spürt den unbezähmbaren Drang, mit dem Finger in der Nase zu bohren. Völlig übergangslos sagt sie: “Ich möchte Mutter werden.”
    “Mutter, ja – Mutter! Mutter Sonne…” Ergar hebt beide Hände wie zum Gebet und verharrt plötzlich. Er schnellt herum. “Hä? Was willst du?”
    “Mutter werden.” Hendrikje hat die Arme über der Brust gekreuzt und lächelt ihn freundlich an. Verunsichert stapft Ergar durchs Zimmer und läßt sich in eine Plusterfarnkugel fallen. Er schüttelt erstaunt den Kopf und sagt: “Wieso schon wieder? Das wird problematisch, wir haben unser Kontingent doch schon überzogen, was meinst du denn, was das für ein Papierkrieg wird, um die Genehmigung zu erhalten. Reichen dir acht Nestlinge nicht?”“Das ist es ja”, antwortet Hendrikje schnell, “immer nur Nestlinge. Du beantragst eine Genkombination und erhältst eine Quittung. Irgendwann erkundigen sich die Nestlinge mal nach dir, weil sie wissen wollen, woraus sie eigentlich gemacht wurden… Ich möchte ein richtiges Kind, verstehst du?”
    Ergar steht auf, tritt an sie heran und legt ihr zärtlich die Hand ins Genick. Dann beginnt er sie zu kraulen. “War wohl ein schwerer Tag heute, was?” fragt er behutsam.
    Sie macht sich unwillig frei. “Ach, damit hat das nichts zu tun.” Aber insgeheim überlegt sie, ob er nicht recht haben könnte. Es war ein turbulenter Tag, und die Ereignisse haben merkwürdige dunkle Sehnsüchte in ihr geweckt. Je öfter sie sich fragt, wozu sie überhaupt existiert, desto näher rücken die beiden Antworten aneinander, die sie sich selbst gegeben hat: zum einen, um etwas zu schaffen und zu hinterlassen, zum anderen – um zu lieben. Kann das alles sein? Ist es zuwenig – oder gar zuviel? Was hat sie nur in diese ungesunde Stimmung versetzt? Die vielen Quallen, Stotzners Tod, die Bekanntschaft mit Goff oder gar dessen schwermütiges Gedicht? Oder der Umstand, daß ihre erste gelungene Schöpfung, die Ikarosmannschaft, von ihr selbst wieder zerstört werden muß?
    In ihre Gedanken hinein schrillt die Fanfare, mit der die täglichen Pflichtinformationen angekündigt werden. Automatisch wendet sie sich dem Bildschirm zu, der langsam aufglüht. Aber sie ist nicht bei der Sache, ganz im Gegensatz zu Ergar, der gebannt den Nachrichten über wichtige Planziffern folgt, sich einmal sogar – entgegen seiner Art – begeistert auf die Schenkel schlägt und ausruft: “Haben sie es doch noch geschafft, diese Teufelskerle!” Erst als der Name Germelin Stotzner fällt, merkt sie auf.
    “Heute früh ereignete sich auf der Wondermarck-Magistrale des Reganta-Urbanidums ein tragischer Unfall, bei dem Bürger Germelin Stotzner den Tod fand. Stotzner versuchte leichtsinnig, die Fahrbahn zu überqueren, statt die Unterführungen zu benutzen. Vermutlich unter dem Einfluß tonisierender Genußmittel stehend…”
    In Hendrikje braut sich etwas zusammen. Erst will sie empört aufspringen und Ergar klarmachen, daß das alles gelogen sei, aber dann stellt sie verblüfft fest, daß jedes Wort der Wahrheit entspricht. “… betrat er die Fahrbahn in dem Augenblick, als zwei Amigos…” Sie wartete ungeduldig auf eine Bemerkung zu den wahren Ursachen. Sicher stimmt es, daß Stotzner einen hohen Quallenkonsum hatte, das sah man an den rostroten Flecken seines Schmeichelmoosoveralls. Aber nicht deshalb ist er wie ein Wahnsinniger auf die Straße gesprungen!
    Die Sendung endet mit der Ankündigung einer Kampagne für mehr Verkehrsbewußtsein und Mäßigung im Genußmittelverbrauch.
    “Er war ein Mungo, deshalb ist er gestorben”, sagt sie bitter, und als Ergar sie mit hochgezogenen Brauen ansieht, erzählt sie ihm alles. Während sie

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