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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Hilfe man das Wachstum der Pflänzchen gezielt steuern kann, und obwohl sie deswegen schon völlig zu Recht kritisiert wurde, bringt sie es einfach nicht übers Herz, zu verraten, daß gewöhnliche Essigsäure die Ursache ist, wenn die Zotten an Hals und Schultern wie eine Löwenmähne wuchern… Navina weicht ja auch regelmäßig aus, sobald Hendrikje wissen will, wie sie dieses todschicke silbrige Glitzern ihrer Augen hinbekommt. Sie entnimmt ihrem Kosmetikschränkchen – einem uralten kugelförmigen Monstrum aus blaueingefärbtem Dyolit, noch mit echten Holzverzierungen, das seinerzeit ihr ganzes Luxusartikelkonto auffraß und heute bestimmt das Dreifache wert ist – eine Phiole mit einem bräunlichen Brei, aus der es unangenehm nach Fäkalien riecht. Die Nase rümpfend, seufzt Hendrikje – aber weniger wegen des Gestanks, dieses kleine Opfer muß man schon bringen, als vielmehr ob der geringen Anzahl der in dem Fläschchen herumkriechenden Raupen – und schüttet sich drei der kleinen Tiere in die Hand. Es ist genau die Hälfte, und mit etwas Wehmut denkt sie an ihre Konfektionspunkte, die erst in vier oder fünf Monaten eine Neuerwerbung zulassen werden. Mit einem fettigen Stift zeichnet sie verwirrende Linien und Kleckse auf ihren nackten Körper, dann setzt sie die Raupen vorsichtig auf ihren Schultern ab.
    Erst beißt und brennt es wie Säure, aber als ein Gespinst aus feinsten smaragdgrün funkelnden Fäden Hendrikje einhüllt, beginnt es höllisch zu jucken, daß sie ungeheure Beherrschung aufbringen muß, um das zarte Gewebe nicht herunterzureißen.
    Hendrikje verrenkt Arme und Beine, schneidet furchtbare Grimassen, und die Tränen laufen ihr über Wangen und Kinn. Trotzdem muß sie sich zusammennehmen, damit die Paste, die sie während des Spinnvorgangs mit ruhiger Hand auf bestimmte Körperstellen auftragen muß, nicht verschmiert. Nach einer Zeit, die ihr wie die Ewigkeit vorkommt, ist es ausgestanden. Zwar juckt und kribbelt es noch ein bißchen, aber das ist nichts im Vergleich zu den überstandenen Qualen. Höchstens dreimal im Jahr darf sie sich den Luxus dieser Tortur leisten. Nicht ihre etwas schwächliche Konstitution ist Grund dieser Beschränkung: Der Schillersmaragd ist ein Vielfaches teurer als Schmieggold, das sowieso allmählich zur Uniform der Privilegierten geworden ist.
    Hendrikje dreht und wendet und bestaunt sich. Eine einmalige Schöpfung ist ihr gelungen, und fast will sie diese verrückte Theorie glauben, daß der menschliche Geist in bedrohlichen Situationen oft zu Außergewöhnlichem imstande ist, denn bereits jetzt fragt sie sich, woher sie die Ideen für diesen Traum eines liebestrunkenen Schmetterlings nahm: Jeder ihrer Bewegungen folgt ein schillerndes Flattern und Wehen; verharrt sie, umschmeichelt das leuchtende Grün ihren Körper in erhabenen Wogen. Wenn sie geht, hat es den Anschein, als schwebe sie einige Zentimeter über dem Boden.
    Mit einem kurzen Wink bedeutet sie Robert, die trockenen Hüllen der Raupen zu beseitigen, die vor ihren Füßen liegen. Dann hat sie es eilig. In spätestens acht Stunden nämlich wird der Schmetterlingstraum an ihr hängen wie staubige Spinnweben…

KAPITEL 6
    Gegart Quadrangel zieht den Stöpsel aus der kleinen Phiole und träufelt ein wenig der bernsteingelben Flüssigkeit auf einen Wattebausch. Er lehnt sich in den Sessel zurück und legt den Kopf in den Nacken. Dann betupft er sich die Schläfen.
    Das Koka-Koka wirkt innerhalb kürzester Frist. Erst hat er ein Gefühl, als presse jemand seinen Kopf zwischen zwei heiße Bügeleisen, danach spürt er dieses qualvolle Bohren, mit dem der Saft einer. Kondizeenart vom Planeten Tronnt durch das Gewebe der Schlagadern ins Blut dringt, und als er das schneidende Kreischen der elektrischen Entladungen hört, die für Sekundenbruchteile seine Sinne überschwemmen, lächelt er erlöst. Es wirkt immer noch zuverlässig, obwohl er in der letzten Zeit häufiger auf die Droge zurückgreifen mußte, um die psychischen und körperlichen Belastungen durchzustehen.
    Beinahe wäre alles ausgewesen, und für einige Stunden fühlte sich Vegard so hundeelend wie noch nie in seinem Leben. Wie konnte er auch vorausahnen, daß in dem dicken Proximer von der Hohen Aue urplötzlich etwas erwachte, worüber in dunkelster Vergangenheit Legenden und Gesänge gemacht wurden, etwas, was ihm – Vegard Quadrangel – so fremd und unverständlich ist, daß es ihn ehrlich entsetzte: Heldentum.
    Welch ein Unsinn, das

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