Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
daß ein Mensch solch ein Monstrum in seiner Brust trägt, schon absurd erscheinen, und wie oft hat er selbst sich schon gefragt, wie all die maschinellen Ungetüme der Urzeit überhaupt funktionieren konnten. Brunos Herz ist zwar nicht das modernste Modell, aber es ist zuverlässig wie eine vorzeitliche Dampfmaschine.
“Das ist nicht einfach ein Ding aus Blech und Plast, Kosmander”, sagt er mit mildem Vorwurf. “Brunos Herz ist ein biomechanisches Kunstwerk, das durch Muskeln angetrieben wird, die seinem eigenen Körper entnommen wurden. Es ist gewissermaßen eine raffiniert ausgeklügelte Pumpe, die über einen organischen Antrieb verfügt, eine Meisterleistung der Mikrochirurgie. Da sind eben nur diese unvorstellbaren starken Magnetfelder, mit denen die Elektronik nicht fertig wird…”
“Er darf also nicht mehr raus”, sagt Flakke nachdenklich, “das wird er kaum verkraften. Der sprühte doch immer vor Eifer, wenn es in die Wanten ging, armer Hund.”
“Vielleicht fällt mir da noch was ein”, antwortet Vegard zögernd. Er hat sich schon mit dem Problem befaßt und sieht eine Lösung.
“Das wäre eine Sensation, Doktor!” sagt Flakke überrascht. “Wenn Sie eine Abschirmung für Brunos Herz erfinden – dann müßte diese doch auch auf die Bordelektronik der Wantentrailer anwendbar sein! Wir könnten sie vollautomatisieren, und die Männer müßten nicht mehr hinaus.”
“Ist alles noch nicht spruchreif”, murmelt Vegard, und dann fragt er: “Was ist nun, Kosmander? Sie haben doch nichts zu verlieren, Sie werden sowieso bald pensioniert…” Als er Flakkes Gesicht sieht, verstummt er erschrocken.
Die Miene des Kosmanders wird eisig, und er sagt: “Zum Pensionieren gehören immer mindestens zwei, Doktor. Sie kennen die Gesetze: Nurdie Ärztliche Kommission kann mich zwingen, den Beruf aufzugeben… Und die Disziplinarkommission…”
Vegard begreift mit einem Schlag. Eigentlich hätte er es längst wissen müssen: Flakke kann nicht die Hände in den Schoß legen, wenn man ihm seinen Drachenkreuzer wegnimmt, dann wird er bald sterben – es gibt solche Menschen. Deshalb also hat er sich auf alles eingelassen, und jetzt muß er weiter mitmachen, so oder so. Ihm bleibt gar nichts anderes übrig.
In Flakke hat er einen viel stärkeren Verbündeten, als er je zu hoffen wagte, nur muß man diesen Mann immer wieder daran erinnern, daß es kein Leben ohne Auseinandersetzungen gibt und daß solche Kämpfe nicht nach olympischen Regeln ausgetragen werden…
“Weshalb tun Sie das alles, Doktor?” fragt der Kosmander plötzlich.
Vegard weicht dem forschenden Blick aus, und dann sagt er hilflos: “Das frage ich mich in letzter Zeit auch gelegentlich…” Im selben Moment würde er sich am liebsten ohrfeigen – wie konnte er sich nur diese Blöße geben!
Flakke aber sieht ihn durchdringend an und brummt dann väterlich: “Das sollten Sie nicht nur gelegentlich tun, Doktor, nicht nur gelegentlich.”
KAPITEL 7
Die Achternak-Pylone ragt so hoch in den Himmel, daß die darauf stehende Figur mit dem Kopf beinahe die Schutzglocke von Amorix zu berühren scheint. Hendrikje weiß längst nicht mehr, wer dieser Achternak eigentlich war, und manchmal schon glaubt sie, daß viele der Namen für Straßen, Plätze und Urbaniden reine Erfindung sind, denn so viele großartige Menschen kann es in der Vergangenheit doch gar nicht gegeben haben, in einer Zeit also, die in den Gewordenseinlektionen als etwas geschildert wurde, was nur aus unendlich vielen Machtlosen und verschwindend wenig Mächtigen bestand. Rings um die Pylone wuchert ein wahrer Dschungel aus Gitterkakteen, diesen Spezialzüchtungen, die sich wie Spalierobst in jede beliebige Form bringen lassen, indem man wachstumshemmende Substanzen auf ihre Oberfläche träufelt.
Unterwegs ist Hendrikje zwei Mungos begegnet. Seit sie mit ansehen mußte, wie Germelin Stotzner von dem Amigo zerquetscht wurde, achtet sie genauer auf ihre Mitmenschen. Es ist wie ein geheimer Zwang, dieses Lauern auf eine hastige, wieselflinke Bewegung. Ohne es zu wollen, horcht sie angespannt auf das Stimmengewirr, das die Tubifexstationen wie ein sprudelnder Quell überflutet, sie lauscht angestrengt nach diesem eigentümlichen Schnattern, in dem auch Stotzner sprach…
“Ich wußte, daß Sie kommen, Hendrikje.” Dicht an ihrem Ohr hört sie die metallisch harte Stimme von Hermel Goff, und allein dieser Klang durchprickelt sie auf eine Weise, die sie an etwas erinnert,
Weitere Kostenlose Bücher