Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
Das hat nichts mit Lanzen und Schnupftüchern zu tun, hier geht es um Selbstachtung und Verantwortung.”
“Ja, eben”, unterbricht Vegard schnell, “um Verantwortung. Und die haben Sie zuallererst mal vor Ihrer Mannschaft und dann erst vor den Leuten in der Basis…”
“Wie soll ich das verstehen?” fragt Flakke verunsichert. Vegard zögert eine Winzigkeit. Jetzt hat er Flakke genau da, wohin er ihn haben wollte, nun gilt es, jedes Wort zu bedenken. “Wir beide sind uns einig, daß wir für das Überleben der Ikaros alles wagen wollen, nicht wahr?” beginnt er mit dem deutlichen Hinweis auf ihr geheimes Abkommen, den MOBS zu täuschen. “Und ich glaube, so wie wir denkt die Mehrheit der Besatzung. Was wird aus den Männern, wenn die Ikaros verschrottet wird? Eigentlich verliert doch jeder sein Zuhause, seine Familie, seinen Lebensinhalt.” Ihr Götter, verzeiht mir, denkt Vegard und schämt sich sogar ein wenig. Solch ein sentimentales Gewäsch rede ich wohl das erstemal in meinem Leben! “Und wir beide wissen sehr gut, daß die Existenz der Ikaros gewissermaßen am seidenen Faden hängt. Der geringfügigste Anlaß kann das Ende bedeuten… Oder haben Sie den Unfall etwa schon gemeldet?” Bei dieser Frage packt ihn tiefstes Entsetzen. Natürlich, Flakke ist so etwas zuzutrauen.
“Ach was”, antwortet der Kosmander nachdenklich, “ich habe die Meldung noch nicht einmal formuliert…, aber was wird dann aus Bruno von der Hohen Aue? Wir haben extra den Rücksturz vorbereitet, damit er so schnell wie möglich in die Basisklinik kommt…”
Angebissen! frohlockt Quadrangel, ich wußte doch, daß ich ihn damit kriege!
“Das bekommen wir auch ohne die Professoren hin”, sagt er.
“Na, ich weiß nicht, ich bezweifle nicht Ihre Fähigkeiten, Doktor, aber unsere Ausrüstung… Der Mann war immerhin klinisch tot.”
Vegard ist erst beleidigt. Das fehlte noch, er holt den Proximer dem Tod von der Schippe, und die Herren Basisärzte beobachten in aller Ruhe, wie sich der Dicke erholt, und streichen für diese übermenschliche Mühe die Anerkennung ein! “Ich garantiere Ihnen, daß ich alle erforderlichen Mittel besitze, um von der Hohen Aue wieder voll herzustellen, Kosmander!” sagt er mit Nachdruck.
“Ja schon…, doch unser Rücksturz ist eingeleitet, das hat man von der Basis aus auch beobachtet, und wenn wir den jetzt abbrechen, gibt es unbequeme Fragen. Obwohl…, wir haben nur noch einen Satz Segel, das wäre schon ein Grund… Aber ob die Leute den Mund halten?” Flakke kämpft sichtlich um einen Entschluß.
“Wenn Sie die Leute nicht dazu bringen können, ist es um diese Mannschaft nicht schade!” Vegard beißt sich gleich auf die Unterlippe. Das war hoch gepokert!
“Sie haben recht… Und Sie können mir wirklich garantieren, daß Bruno bei uns in der Bordklinik alles hat, was er braucht?”
“Mit einem Beinbruch hätte ich mehr Probleme”, sagt Vegard forsch.
“Na ja, dann…” Flakke kann sich immer noch nicht durchringen, auf den Vorschlag einzugehen. Quadrangel sieht es mit zunehmender Sorge. “Aber ich bin für Bruno ebenso verantwortlich wie Sie, Doktor. Wenn sich sein Zustand durch irgendeinen dummen Zufall wieder verschlechtert, was dann?”
Vegard zuckt die Schultern – es bleibt ihm wohl nicht erspart, er muß den Kosmander auch in diese Sache einweihen. “Also gut, Flakke, kommen Sie zu mir in die Klinik, und ich liefere Ihnen den Beweis dafür, daß sein Herz besser funktioniert als Ihres oder mein eigenes. Und dann entscheiden Sie sich in Gottes Namen!”
Der Kosmander zieht erstaunt die Augenbrauen hoch und überlegt kurz, er dreht sich für Sekunden aus dem Bildschirm heraus, und Vegard hört einige Satzfetzen, die darauf schließen lassen, daß er Skamander damit beauftragt, irgendein Manöver einzuleiten.
“Ich bin sofort bei Ihnen”, sagt Flakke dann, wieder dem Arzt zugewandt.
Einige Minuten später starrt der Kosmander ungläubig auf Brunos nackte Brust, die sich sachte hebt und senkt. Und als ob er den Erklärungen Quadrangels nicht traue, legt er ein Ohr an den speckigen Brustkorb und schluckt aufgeregt, als er das monotone Ticken hört.
“Und so was funktioniert, so ein Ding aus Blech und Plast?” fragt er ungläubig. Quadrangel muß gegen seinen Willen lächeln, und diesmal ist es weniger Überheblichkeit als echte Heiterkeit. Flakkes Frage ist nur zu gut verständlich. In einer Zeit der künstlich gezüchteten Organe mag einem der Gedanke,
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