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Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)

Titel: Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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was schon zehn Jahre zurückliegt. Gleichzeitig aber mischt sich Unwillen über die freche Selbstsicherheit des Mopses in dieses Prickeln, und sie überlegt krampfhaft, wie sie ihn so auf die Erde zurückholen kann, daß sein Höhenflug mit einer lächerlichen Bauchlandung endet.
    “Ach, wissen Sie, ich habe mich hier mit jemandem verabredet, mir fiel nichts Besseres als die Achternak-Pylone ein – er muß gleich kommen…” Sie dreht sich um, und ein freudiger Schreck durchzuckt sie, fegtallen Ärger über den blasierten Goff beiseite. Hendrikje gehen die Augen über, und den Bruchteil einer Sekunde kann sie noch denken: Mein Gott, ich muß aussehen wie ein Ochsenfrosch, mit geöffnetem Mund und hervorquellenden Augen. Aber ihr innerer Widerstand reicht nur noch aus, die Kinnlade zu bewegen, und gegen ihren Willen spitzen sich ihre Lippen zu einem leisen und ganz und gar unweiblichen Pfiff höchster Anerkennung.
    Goffs Bekleidung ist eine Phantasie aus Schillersmaragd und Schmieggold, ein Gewand, das einer funkelnden Kaskade gleich an ihm emporzuschießen scheint und sich über den Schultern zu einer strahlenden, blütengleichen Korona öffnet. Die Linie ist einfach und streng, für Hendrikjes Geschmack aber der Inbegriff der Männlichkeit, denn unter der transparenten Zartheit lassen diffuse Schatten das Muskelspiel eines prachtvollen Körpers ahnen. Dafür muß er doch mindestens ein Jahr gearbeitet haben, denkt sie und fragt zögernd: “Haben Sie das etwa… für mich getan?”
    Um Goffs Mundwinkel zuckt ein ironisches Lächeln. “Eigentlich warte ich hier auf jemanden. Aber bis die Dame eintrifft, können wir ja ein wenig plaudern.”
    Ich bin eine dumme Gans! sagt sich Hendrikje, nicht etwa, weil sie förmlich spürt, wie ihr flammende Röte ins Gesicht schießt, sondern ausÄrger über die schnippische Bemerkung.
    Goff hingegen sieht höflich über ihre Verlegenheit hinweg und übergeht die peinliche Situation mit einer gleichmütigen Feststellung. “Sehen Sie, dort”, er zeigt auf den Fuß der Achternak-Pylone, wo einige Leute damit beschäftigt sind, den roten Marmor zu scheuern, “sie haben es schon heruntergekratzt. Ich hätte auf einen Gitterkaktus steigen sollen…”
    “Dort stand doch dieses melancholische Gedicht?” fragt Hendrikje, und noch während sie spricht, fällt ihr ein, daß Goff behauptete, die Worte an den Sockel der Pylone gemalt zu haben.
    Der Polynesier verzieht das Gesicht wie unter Zahnschmerzen und brummt: “Melancholisches Gedicht…, das war doch übelster Kitsch. Meine Gedichte klingen anders, ganz anders. Vielleicht denke ich mir mal eins aus für Sie.”

“Es war also doch nicht von Ihnen?” fragt Hendrikje enttäuscht. Und bissig setzt sie hinzu: “Sie können das natürlich viel besser, ganz wie mein allwissender Ergar!”
    “Was finden Sie bloß an dieser Schmiererei… Ach, Sie meinen, ich wollte Sie nur hierherlocken mit der Behauptung, ich hätte es geschrieben? Da kann ich Sie beruhigen: Es ist einzig und allein mein Werk, und nicht nur diese Schmiererei, auch die Verse am Urbanidum Gigantum sind von mir.”
    “Aber…, aber dann sind Sie ja ein…, ein…” Hendrikje ist sprachlos. Sie glaubt dem ruhigen, selbstverständlichen Klang seiner Stimme – wozu auch sollte Goff sie belügen, sich selbst falsch bezichtigen, ein Fall für das Büro zur Untersuchung abweichender Verhaltensweisen zu sein?
    “Ein Außenseiter, ein Unnormaler, oder was meinen Sie?” fragt er bedächtig und lächelt versonnen. “Haben Sie nicht auch manchmal Lust, Ihre Verzweiflung, Ihre Fragen laut hinauszuschreien?”“Aber… die Disziplin, die – die – die…” Hendrikje gerät vor Fassungslosigkeit ins Stottern. Es kann doch nicht sein, daß Hermel Goff, der erbarmungslos Mungos jagt, ein schwächlicher und undisziplinierter Träumer ist.
    “Fragen Sie sich gar nicht, wie es mir unbeobachtet gelungen ist, dieseInschriften anzubringen? Übrigens, bis jetzt ist keiner der anonymen Dichter gefaßt und zur Rechenschaft gezogen worden…, hoffentlich spricht sich das rasch herum!” Den letzten Satz sagt er mit einigem Nachdruck, und Hendrikje klingt es fast wie eine Aufforderung.
    “Ich weiß nicht mehr, was ich mich zuerst fragen soll”, gibt sie kleinlaut zu. “Sie sind – ein lebendiges Rätsel…”
    Als er seinen Arm wie selbstverständlich um ihre Schultern legt, spürt sie unter den wulstigen Muskelsträngen eine Glut, die still und zart ihre Haut

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