Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
übermächtige Kräfte auf Freerick, der Radius seiner Bahnkurve ist für die hohe Geschwindigkeit viel zu gering, es reißt ihn vom Rad, und er stürzt in die Tiefe…
Torkell hat Glück. Obgleich er rutscht und schleudert, gelingt es ihm, den Abwärtsbogen so zu durchfahren, daß er wieder in seine Bahn hineinfindet.
Auf der Zielgerade bremst er mit aller Kraft, bis er zum Stehen kommt. Dann sieht er sich bestürzt um, noch gar nicht voll erfassend, was soeben geschehen ist. Zum Greifen nahe sieht er Freerick liegen, nur durch zwei gläserne Tunnelwandungen von ihm getrennt. Der Kopf ist eigentümlich nach hinten gebogen, und Freerick rührt sich nicht. Dann hört Torkell das Heulen des Rettungslifts und sieht, wie die rundum mit Rädern bestückte Kabine vom Start aus durch die Röhre jagt. Torkell beginnt zu frieren, er steht wie erstarrt, wagt keine Bewegung. Nur noch dreißig Meter sind es bis zum Ziel, von wo die Kampfrichter aufgeregt winken. Aber er steht nur da und starrt wie hypnotisiert auf seinen Freund…
Freerick war sofort tot, und die Reanimationsversuche blieben erfolglos, vorerst. In der zentralen Substitutionsklinik gelang es dann, das verletzte Nervengewebe des verlängerten Rückenmarks zu regenerieren und die durch die geplatzten Blutgefäße zerstörte Hirnmasse zu ersetzen. Aber Freerick war tot. Der da nach zwei Jahren Intensivrehabilitation aus der Klinik entlassen wurde, war ein neuer Freerick, der vom alten nichts mehr wußte.
Die Überprüfung anhand der Aufzeichnung ergab Torkells Schuld. Und so gab es auch Torkell nicht mehr, und Skagit mußte ein neues Leben in Torkells Körper beginnen. Zehn Jahre Frist zur Bewährung waren ihm gesetzt, zehn Jahre, die bald vorüber sein würden.“Freerick ist wieder Meister im Tunnelfahren…”, flüstert Skagit dumpf, und er spürt, wie sich seine Augen mit Tränen füllen. Willenlos läßt er es geschehen, daß Skamander ihn behutsam aufrichtet und aus der Kreiselkammer führt. Und wie aus weiter Ferne hört er den Kameraden sagen: “… man muß wohl sehr stark sein, wenn man mit solch einer Schuld leben kann, sehr stark…”
Da fragt sich Skagit, weshalb er Skamander eigentlich für einen Feind hielt, und ein trockenes Brennen steigt in ihm auf, als er wieder in das zerschlagene Gesicht sieht. Vielleicht hätte er wirklich Verständnis und Hilfe gefunden, hätte er die Kraft aufgebracht, sich jemandem aus der Besatzung anzuvertrauen. Nein, es liegt nur an ihm – er ist krank. “Ich werde zum Büro zur Untersuchung abweichender Verhaltensweisen gehen und reinen Tisch machen. Ich bin geistig nicht normal, mir kann nur eine genetische Therapie helfen”, sagt er hart.
“Quatsch!” brummt Skamander. “Das laß mal schön sein! Du bist zwar etwas aus dem Takt, aber ansonsten stinknormal, ich möchte beinahe sagen, vorbildlich normal. Gewissen ist keine Krankheit, eher ein sehr empfindliches Organ der menschlichen Seele. Ich kenne Leute, bei denen ist es arg verkümmert, die gehören eigentlich vors BUAV…” Skamander unterbricht sich, und Skagit kann sehen, wie sich der andere vorsichtig die blutverkrusteten Lippen leckt, die beim Sprechen immer wieder aufspringen und erneut zu bluten beginnen.
“Verzeihen wirst du mir nicht können”, Skagit muß sich zusammennehmen, um nicht loszuheulen, “aber bitte versteh mich, versuch es wenigstens…”
Skamander grinst schwach. “Verzeihen? Was denn? Die paar Kratzer nehme ich gern hin, wenn ich daran denke, daß du mich eigentlich vergiften wolltest.”
Skagit schnieft betrübt und etwas erleichtert. In Skamanders Stimme schwingt beinahe wieder der Ton, dieser leise Spott, der ihm früher die Schläfen pochen ließ.
Der Verlust Arthurs schmerzt, doch Skagit hat das Gefühl, dieser Verlust sei der Preis für etwas Bedeutenderes, das er gewonnen hat. Noch kann er es nicht beim Namen nennen, dieses Etwas, aber er fühlt die Zuversicht, es bald zu wissen. Leise spricht er vor sich hin: “Hab alle Hüllen verbrannt / doch tödlich ist es / nackt vor den Spiegel zu treten / Omega…”
Erst als Skamander abrupt stehenbleibt und verblüfft ausruft: “He, du bist das?”, kommt er wieder zu sich. Was soll's, nun ist die letzte Hülle wirklich zu Asche zerfallen, eigentlich berührt es ihn kaum.
Skamander schlägt sich vor die Stirn. “Jetzt kapiere ich: Bin kein Fossil / warum muß ich versteinern / ihr seid Granit / also werde ich hart / denn ich bin feige / Omega. – Sag mal, spinnst
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