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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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die Arme. Er hatte stark behaarte Unterarme und trug einen goldenen Ehering. »Sie fragen sich bestimmt, wo Sie sind und was passiert ist. Verständlich. Nach einer Operation ist man immer ein bisschen benommen. Ich will Ihnen sagen, was ich weiß.«
    Ich wollte wegen der Drähte nachfragen. Operation? Wo war Aisha? Ich wünschte, sie würde mich anlächeln und ihre zarte Hand auf meine Hände legen.
    Armand legte die Stirn in Falten und kniff in etwas selbstgefälliger Manier die Brauen zusammen. »Sie liegen in einem Krankenhaus in Peshawar. Schon seit zwei Tagen. Ich muss Ihnen leider sagen: Sie haben sehr schwere Verletzungen davongetragen, Amir. Ja, mein Freund, Sie haben Glück, noch am Leben zu sein.« Während er dies sagte, bewegte er den ausgestreckten Zeigefinger wie ein Pendel hin und her. »Sie hatten einen Milzriss, wahrscheinlich eine beidseitige Ruptur mit subkapsulärem Bluterguss. Meine Kollegen aus der allgemeinen Chirurgie haben eine Splenektomie vornehmen müssen. Sie können von Glück sagen, dass es erst jetzt zur Ruptur gekommen ist. Dazu hätte es auch schon früher kommen können, und dann wären Sie innerlich verblutet.« Er tätschelte meinen Arm, den mit dem Infusionsschlauch, und lächelte. »Außerdem sind sieben Rippen gebrochen. Eine davon hat einen offenen Pneumothorax verursacht.«
    Ich kräuselte die Stirn. Versuchte, meinen Mund zu öffnen. Erinnerte mich aber dann an die Drähte.
    »Das heißt Brustwandverletzung«, erklärte Armand und zupfte an einem dicken Plastikrohr, das mir links im Brustkorb steckte. Ich spürte einen stechenden Schmerz. »Mit dieser Thoraxdrainage haben wir das Leck geschlossen.« Mit den Augen folgte ich dem Rohr von der bandagierten Brust bis zu einem Behälter, in dem mehrere Wassersäulen zu erkennen waren. Die blubbernden Geräusche kamen von dort.
    »Darüber hinaus mussten etliche Lazerationen genäht werden. Platzwunden.«
    Ich wollte ihm sagen, dass ich diesen Begriff kannte, dass ich Schriftsteller bin, und vergaß die Drähte im Mund.
    »Ihre Oberlippe hat es besonders schlimm erwischt«, sagte Armand. »Sie ist von oben nach unten aufgerissen, genau in der Mitte. Aber keine Angst, wir haben sie wieder zusammengenäht, und ich glaube, Sie werden mit dem Ergebnis zufrieden sein. Dass eine Narbe zurückbleibt, lässt sich nicht vermeiden.«
    »Dann war da noch eine Orbitalfraktur auf der linken Seite«, fuhr Armand fort. »Ein Augenhöhlenbruch, den wir natürlich auch richten mussten. Die Drähte an den Kieferknochen werden in rund sechs Wochen wieder rausgenommen. Bis dahin gibt's für Sie nur Flüssiges und Brei. Sie werden Gewicht verlieren und eine Weile so sprechen wie Al Pacino in dem Film Der Pate.« Er lachte. »Übrigens, Sie haben heute noch einen Job zu erledigen. Wissen Sie, welchen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ihr Job für heute wird es sein, Wind abgehen zu lassen. Wenn Sie das geschafft haben, werden Sie zur Belohnung gefüttert. Kein Pups, kein Pamps.« Er lachte wieder.
    Später, nachdem Aisha die Schläuche ausgewechselt und auf meine Bitte hin das Kopfende des Bettes hoch gestellt hatte, ging ich in Gedanken den Katalog meiner Verletzungen durch. Milzriss. Ausgeschlagene Zähne. Durchlöcherte Lunge. Gebrochener Augenhöhlenrand. Ich beobachtete gerade eine Taube, die auf dem Fenstersims saß und
    Brotkrumen pickte, als mir die Worte von Armand/Dr. Faruqi in den Sinn kamen: Ihre Oberlippe hat es besonders schlimm erwischt, hatte er gesagt. Sie ist von oben nach unten aufgerissen, genau in der Mitte. Genau in der Mitte. Wie bei einer Hasenscharte.
    Farid und Suhrab besuchten mich am nächsten Tag. »Weißt du heute, wer wir sind? Erinnerst dich jetzt?«, fragte Farid halb im Scherz. Ich nickte.
    »Al hamdullillah!«., antwortete er strahlend. »Du redest keinen Unsinn mehr.«
    »Danke, Farid«, presste ich zwischen verdrahteten Zähnen hervor. Armand hatte Recht -ich klang tatsächlich wie Al Pacino im Paten. Und meine Zunge überraschte mich, sooft sie in eine der Lücken geriet, die die ausgeschlagenen Zähne hinterlassen hatten. »Vielen Dank, für alles.«
    Er winkte mit der Hand ab und errötete. »Nicht der Rede wert«, sagte er. Ich wandte mich an Suhrab. Er trug neue Kleider: einen hellbraunen pirhan-tumban, der ihm eine Nummer zu groß zu sein schien, und eine schwarze Kappe. Er hatte den Blick gesenkt und spielte mit dem Infusionsschlauch, der sich auf der Bettdecke schlängelte.
    »Wir haben uns noch gar nicht

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