Drachenläufer
Lächeln erschien auf den Lippen meines Vaters. Er breitete die kräftigen haarigen Arme aus. Ich legte den Drachen hin und trat in diese Umarmung. Ich vergrub mein Gesicht an der Wärme seiner Brust und weinte. Baba drückte mich ganz fest an sich, schaukelte mich hin und her. In dieser Umarmung vergaß ich, was ich getan hatte. Und das war gut.
8
Ich sah Hassan beinahe eine ganze Woche lang nicht. Wenn ich erwachte, fand ich das Brot getoastet, den Tee aufgegossen und das Ei fertig gekocht auf dem Küchentisch vor. Meine Kleidung für den Tag lag gebügelt und gefaltet auf dem Rohrstuhl in der Halle, wo Hassan für gewöhnlich das Bügeln erledigte. Meistens hatte er gewartet, bis ich am Frühstückstisch saß, bevor er damit begann - auf diese Weise konnten wir uns unterhalten. Oder er übertönte das Zischen des Eisens mit seinem Gesang und gab alte Hazara-Lieder über Tulpenfelder zum Besten. Doch jetzt begrüßten mich lediglich meine gefalteten Kleider. Und ein Frühstück, das ich nur noch selten ganz aufaß.
An einem bedeckten Morgen, als ich gerade das gekochte Ei auf meinem Teller herumschob, trat Ali mit einem Arm voll Holzscheite in die Küche. Ich fragte ihn, wo Hassan steckte.
»Der hat sich wieder schlafen gelegt«, sagte er, kniete sich vor den Ofen und zog die kleine viereckige Tür auf.
Ob er wohl nachher mit mir spielen könne, wollte ich wissen.
Ali verharrte mit einem Scheit in der Hand. Ein besorgter Ausdruck deutete sich auf seinem Gesicht an. »In letzter Zeit scheint er nur noch schlafen zu wollen. Er erledigt seine Aufgaben - darauf achte ich -, aber dann möchte er am liebsten nur noch unter seine Decke kriechen. Darf ich etwas fragen?« »Wenn es sein muss.«
»Als er nach dem Drachenturnier nach Hause gekommen ist, da hat er ein wenig geblutet, und sein Hemd war zerrissen. Ich habe ihn gefragt, was geschehen ist, und er hat mir geantwortet, gar nichts, er sei bloß wegen des Drachens in eine kleine Rauferei mit ein paar Kindern geraten.«
Ich antwortete nichts darauf. Schob nur weiter das Ei auf meinem Teller herum.
»Ist ihm etwas zugestoßen, Amir Aga? Etwas, von dem er mir nichts sagt?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen?«
»Du würdest es mir doch sagen, oder? Inschallah, du würdest mir sagen, wenn etwas geschehen wäre?«
»Wie ich schon sagte, woher soll ich wissen, was mit ihm los ist?«, fuhr ich ihn an. »Vielleicht ist er ja krank. Die Leute werden doch ständig krank, Ali. So, wirst du jetzt wohl endlich den Ofen anzünden, oder soll ich etwa erfrieren?«
An jenem Abend fragte ich Baba, ob wir am Freitag nach Jalalabad fahren könnten. Er schaukelte in dem ledernen Drehstuhl hin und her, der hinter seinem Schreibtisch stand, und las Zeitung. Er legte die Zeitung hin und nahm die Lesebrille ab, die ich so hasste -
Baba war nicht alt, ganz und gar nicht, und er hatte noch so viele Jahre vor sich, warum also musste er diese dumme Brille tragen?
»Warum nicht!«, sagte er. In letzter Zeit schien mir Baba nie mehr etwas abschlagen zu wollen. Zwei Abende zuvor hatte er mich sogar gefragt, ob ich Lust hätte, mir El Cid mit Charlton Heston im Aryana-Kino anzusehen. »Möchtest du Hassan fragen, ob er Lust hat, nach Jalalabad mitzukommen?«
Warum bloß musste Baba alles verderben? »Er ist mareez«, sagte ich. Fühlt sich nicht wohl.
»Wirklich?« Baba hörte auf, in seinem Stuhl zu schaukeln. »Was ist denn mit ihm los?«
Ich zuckte mit den Schultern und sank in das Sofa am Kamin. »Er hat wohl einen Schnupfen. Ali sagt, er schläft sich gesund.«
»Ich habe Hassan in den letzten Tagen selten gesehen«, sagte Baba. »Es ist also wirklich nichts weiter als ein Schnupfen?« Ich konnte nicht anders, die Art und Weise, wie sich seine Stirn vor Sorge furchte, war mir verhasst.
»Ja, bloß ein Schnupfen. Werden wir denn jetzt am Freitag fahren, Baba?«
»Ja, ja«, sagte er und schob seinen Stuhl vom Schreibtisch zurück. »Tut mir Leid wegen Hassan. Ich dachte, es hätte dir mehr Spaß gemacht, wenn er mitkommt.«
»Ach, wir zwei können doch auch Spaß zusammen haben«, erwiderte ich. Baba lächelte. Zwinkerte mir zu. »Zieh dich warm an«, sagte er.
Es sollten eigentlich nur wir beide sein - so hätte ich es gern gehabt -, aber bis Mittwochabend hatte Baba es geschafft, noch zwei Dutzend weitere Leute zu der Fahrt einzuladen. Er rief seinen Cousin Homayoun an - genau genommen ein Cousin zweiten Grades - und erwähnte, dass er am Freitag
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