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Drachenläufer

Drachenläufer

Titel: Drachenläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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die er aus Kabul kannte: Mechaniker und Schneider, die abgelegte Wollmäntel und zerkratzte Fahrradhelme verkauften, standen neben ehemaligen Botschaftern, arbeitslosen Chirurgen und Universitätsprofessoren.
    An einem frühen Sonntagmorgen im Juli des Jahres 1984 kaufte ich zwei Tassen Kaffee an einer Bude, während Baba unseren Stand aufbaute, und als ich zurückkehrte, unterhielt er sich mit einem älteren, vornehm aussehenden Mann. Ich stellte die Becher auf die hintere Stoßstange, gleich neben den »Reagan/Bush '84«-Aufkleber.
    »Amir«, sagte Baba und bedeutete mir, zu ihm zu kommen, »das hier ist General Sahib, Mr. Iqbal Taheri. Er war ein dekorierter General in Kabul. Er hat für das Verteidigungsministerium gearbeitet.«
    Taheri. Warum kam mir der Name so bekannt vor?
    Der General lachte wie ein Mann, der es gewöhnt ist, an feierlichen Anlässen teilzunehmen, wo er auf Kommando über die schlechten Witze wichtiger Leute zu lachen hat. Er besaß dünnes silbergraues Haar, das er aus seiner glatten gebräunten Stirn zurückgekämmt hatte, und er hatte weiße Büschel in seinen zottigen Augenbrauen. Er roch nach Eau de Cologne und trug einen stahlgrauen dreiteiligen Anzug, der vom vielen Bügeln schon ganz glänzend geworden war; die Goldkette einer Taschenuhr baumelte aus seiner Weste hervor.
    »Welch eine vortreffliche Vorstellung«, sagte er mit einer tiefen, kultivierten Stimme. »Salaam.«
    »Salaam, General Sahib«, sagte ich und schüttelte seine Hand. Seine schmalen Hände ließen seinen festen Griff gar nicht vermuten - es war fast so, als verberge sich Stahl unter der gepflegten Haut.
    »Amir wird einmal ein großer Schriftsteller«, erklärte Baba. Ich blickte ihn überrascht an. »Er hat sein erstes Jahr am College beendet und in all seinen Kursen nur Bestnoten bekommen.«
    »Am Junior-College«, verbesserte ich ihn.
    »Mashallah«, sagte General Taheri. »Werden Sie über unser Land schreiben, Geschichtliches vielleicht? Wirtschaftsthemen?«
    »Ich schreibe Erzählliteratur«, erwiderte ich und dachte an all die Kurzgeschichten, die ich in dem in Leder gebundenen Notizbuch gesammelt hatte, das mir Rahim Khan einmal geschenkt hatte. Warum bloß war mir das in Gegenwart dieses Mannes auf einmal so peinlich?
    »Aha, ein Geschichtenerzähler also«, sagte der General. »Nun, die Menschen brauchen Geschichten, um sich in schwierigen Zeiten wie diesen abzulenken.« Er legte seine Hand auf Babas Schulter und wandte sich mir zu. »Wo wir gerade von Geschichten reden, Ihr Vater und ich haben einmal im Sommer in Jalalabad zusammen Fasane geschossen«, sagte er. »Es war ein herrlicher Tag. Wenn ich mich recht entsinne, hat sich das Auge Ihres Vaters auf der Jagd als ebenso gut erwiesen wie in geschäftlichen Dingen.«
    Baba trat mit der Spitze seines Stiefels gegen einen Holztennisschläger. »Tolle Geschäfte.«
    General Taheri brachte ein Lächeln zustande, das zugleich traurig und höflich war, seufzte einmal tief und tätschelte Baba die Schulter. »Zendagi migzara«, sagte er. Das Leben geht weiter. Er richtete seine Augen auf mich. »Wir Afghanen neigen zu einer gewissen Übertreibung, und ich habe schon oft gehört, dass man Männer fälschlicherweise als groß bezeichnet hat. Aber Ihr Vater gehört zu der Minderheit, der diese Auszeichnung gebührt, die diese Bezeichnung wirklich verdient hat.« Die kleine Ansprache klang in meinen Ohren so, wie sein Anzug aussah: oft benutzt und mit einem unnatürlichen Glanz versehen.
    »Sie schmeicheln mir«, sagte Baba.
    »Das tue ich ganz und gar nicht«, erwiderte der General, neigte den Kopf zur Seite und presste sich die Hand an die Brust, um seiner Demut Ausdruck zu verleihen, und wandte sich dann mir zu. »Jungen und Mädchen sollten das Vermächtnis ihrer Väter kennen. Wissen Sie Ihren Vater zu schätzen, Amir? Wirklich zu schätzen?«
    »Balay, General Sahib, das tue ich«, antwortete ich.
    »Dann gratuliere ich Ihnen, Sie sind schon auf dem halben Wege, ein Mann zu werden«, erklärte er ohne jeden Anflug von Humor oder Ironie, ein Kompliment von Menschen seines Schlages, die sich durch ihre beiläufige Arroganz auszeichnen.
    »Padar jan, du hast deinen Tee vergessen.« Die Stimme einer jungen Frau. Sie stand hinter uns, eine Schönheit mit schmalen Hüften, samtigem, rabenschwarzem Haar, die eine geöffnete Thermosflasche und einen Styroporbecher in den Händen hielt. Ich blinzelte, mein Herz begann schneller zu schlagen. Sie hatte dichte schwarze

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