Drachenläufer
Augenbrauen, die sich in der Mitte wie die ausgebreiteten Schwingen eines fliegenden Vogels berührten, und die anmutig geschwungene Hakennase einer Prinzessin aus dem alten Persien - vielleicht die der Tahmineh, Rostems Frau und Suhrabs Mutter aus dem Shahname. Ihre Augen, walnussbraun und von fächerförmigen Wimpern umrahmt, begegneten den meinen. Verharrten für einen Moment. Flogen davon.
»Du bist zu freundlich, Liebes«, sagte General Taheri. Er nahm ihr den Becher aus der Hand. Bevor sie sich zum Gehen wandte, sah ich, dass sie ein sichelförmiges Muttermal auf ihrer glatten Haut hatte, direkt über dem linken Kieferknochen. Sie ging zu einem mattgrauen Van hinüber und stellte die Thermosflasche hinein. Ihr Haar ergoss sich zu einer Seite, als sie sich inmitten der Kisten mit alten Schallplatten und Büchern hinkniete.
»Meine Tochter, Soraya jan«, sagte General Taheri. Er tat einen tiefen Atemzug, wie ein Mann, der eifrig darauf bedacht ist, das Thema zu wechseln, und blickte auf seine goldene Taschenuhr. »Tja, es ist Zeit aufzubauen.« Er und Baba küssten sich auf die Wange, und er ergriff meine Hand mit beiden Händen und schüttelte sie. »Viel Glück mit dem Schreiben«, sagte er und blickte mich an. Seine hellblauen Augen enthüllten keinen der Gedanken, die dahinter verborgen lagen.
Für den Rest des Tages kämpfte ich gegen das Verlangen an, zu dem grauen Van hinüberzublicken.
Auf dem Nachhauseweg fiel es mir schließlich ein. Taheri. Ich wusste doch, dass ich den Namen schon einmal gehört hatte.
»Hat es da nicht einmal einigen Klatsch über Taheris Tochter gegeben?«, fragte ich Baba und bemühte mich, betont beiläufig zu klingen.
»Du kennst mich doch«, erwiderte er und manövrierte den Bus langsam weiter in der Schlange der Fahrzeuge, die den Trödelmarkt verließen. »Wenn sich Gespräche in Klatsch und Tratsch verwandeln, gehe ich.«
»Aber es gab da mal so etwas, nicht wahr?«, bohrte ich nach.
»Warum fragst du?«, sagte er ausweichend.
Ich zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Lächeln. »Bin bloß neugierig, Baba.« »Wirklich? Ist das alles?«, fragte er. »Hat sie vielleicht Eindruck auf dich gemacht?« Ich verdrehte die Augen. »Du meine Güte, Baba.«
Er lächelte und bog vom Trödelmarkt auf die Straße ab. Wir fuhren in Richtung des Highways 680. Für eine Weile war es still im Wagen. »Ich habe nur gehört, dass es da mal einen Mann gegeben hat, und die Dinge ... sie sind nicht gut gelaufen.« Er sagte das mit so ernster Stimme, als hätte er mir gerade eröffnet, dass sie an Brustkrebs litt. »Oh.«
»Soweit ich weiß, ist sie ein anständiges Mädchen, fleißig und freundlich. Aber seither haben keine khastegars mehr an die Tür des Generals geklopft.« Baba seufzte. »Es mag unfair sein, aber es kommt manchmal vor, dass die Ereignisse weniger Tage oder vielleicht auch nur eines einzigen Tages genügen, um den Verlauf eines ganzen Lebens zu verändern, Amir.«
Als ich an dem Abend im Bett lag, dachte ich an Soraya Taheris sichelförmiges Muttermal, an ihre kleine Hakennase und wie sich ihre leuchtenden Augen für einen flüchtigen Moment in die meinen gesenkt hatten. Mein Herz geriet bei dem Gedanken an sie ins Stocken. Soraya Taheri. Meine Trödelmarkt-Prinzessin.
12
In Afghanistan ist yelda die erste Nacht des Monats Jadi, die erste Winternacht und die längste Nacht des Jahres. Hassan und ich blieben an diesem Abend der Tradition gemäß lange auf und steckten unsere Füße unter den kursi, während Ali Apfelschalen in den Ofen warf und uns alte Geschichten von Sultanen und Dieben erzählte, um diese längste aller Nächte zu überstehen. Es war Ali, der das alte Wissen um yelda an uns weitergab, das besagte, dass besessene Nachtfalter sich in Kerzenflammen stürzten und Wölfe auf der Suche nach der Sonne die Berge hinaufkletterten. Ali schwor, dass man, wenn man in der yelda -Nacht Wassermelone aß, im kommenden Sommer nicht durstig sein würde.
Später las ich in meinen Gedichtbüchern, dass yelda die Sternenlose Nacht war, in der Liebende unter Qualen Wache hielten, die endlose Nacht erduldeten und darauf warteten, dass die Sonne aufging und den geliebten Menschen mit sich brachte. Nachdem ich Soraya Taheri getroffen hatte, wurde jede Nacht der Woche zu einer yelda für mich. Und wenn der Sonntagmorgen kam, kletterte ich schon mit dem Gedanken an Sorayas braunäugiges Gesicht aus dem Bett. In Babas Bus zählte ich die Meilen, bis ich sie sehen
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