Drachenland: Roman (German Edition)
ließ sie unberührt, und ihre häufigen Reisen in das Südland hielten sie aus den Palastintrigen heraus.
Sie hatten die Ernennung Falkenwinds unterstützt, weil es der Wunsch Ephrions gewesen war, und sie hatten das Eindringen eines Außenseiters geduldet, weil er eine größere Eignung für den Thron zeigte als einer der Kandidaten aus der königlichen Familie. Dennoch trauten sie Falkenwind nicht wirklich.
Die Ereignisse dieses Morgens hatten Aloras und Tolchins Einstellung zu ihm insofern weiter belastet, als Evirae jetzt in ihrer beider Ansehen gestiegen war. Eviraes Enthüllung, Prinz Kiorte habe ihr die Vernehmung des fandoranischen Spions anvertraut, hatte sie beeindruckt, und die Schnelligkeit, mit der sie die Invasionsabsichten aus dem Spion herausgeholt hatte, hatte sie überrascht. Als sie die Tunnel verließen, hatten Tolchin und Alora zugestimmt, als Evirae sie um eine weitere Zusammenkunft vor ihrem Bericht an Falkenwind gebeten hatte. Hätten sie von Eviraes Doppelzüngigkeit gegenüber dem Mann aus Nordwelden gewusst, hätten sie gewusst, dass Kiorte sich nicht auf einer Mission im Westen befand – wie Evirae behauptet hatte -, sondern in Wirklichkeit nur nicht auffindbar war – sie hätten Falkenwind sofort informiert. Von all diesen Dingen jedoch hatten sie keine Ahnung, und so begrüßten sie Evirae in ihrem von dem Aroma bunduranischen Tees erfüllten Wohnzimmer mit ungewöhnlicher Herzlichkeit.
»Ich bin froh, dass du deinen Schatten nicht mitgebracht hast«, sagte der Baron.
Evirae blickte erschrocken hinter sich, dann wurde ihr klar, dass der Baron scherzte. »Ja«, sagte sie mit einem verspäteten Lächeln, »ich wollte Mesor bei unserem Gespräch nicht dabeihaben.«
»Dann komm herein«, sagte Alora mit weniger Charme als ihr Gemahl. »Obwohl du uns versichert hast, dass es kein Anzeichen für eine Invasion gibt, gefällt es mir nicht, wenn wir die Nachricht dem Palast vorenthalten. Ich nehme an, du hast dafür deine Gründe, Evirae, und ich möchte sie so schnell wie möglich hören.«
Während ein Diener Tee einschenkte, setzten Tolchin und Alora sich auf die Federblattcouch in der Mitte des Zimmers. Evirae blieb stehen; ihr Haaraufbau drückte sich in die Falten eines seidenen Baldachins. Sie sprach mit Bedacht. »Dies ist ein schwieriges Gespräch für mich. Wie ihr beide wisst, war ich in der vergangenen Zeit nicht besonders diplomatisch in meinem Widerstand gegen Falkenwind. Um ehrlich zu sein: Ich bleibe bei meiner Meinung, dass er nicht qualifiziert ist, Monarch zu sein. Jetzt bin ich gekommen, um euch zu sagen, dass er vielleicht nicht einmal qualifiziert ist, in Simbala zu leben.«
Alora, an die Weitschweifigkeit der Kämmerer gewöhnt, runzelte dennoch die Stirn. »Wenn du Informationen hast, mach es kurz und klar, Evirae! Wir sprechen über die Sicherheit Simbalas.«
Es kostete Evirae Mühe, Gelassenheit zu bewahren. Sie hatte das Gefühl, vor einem großen Puzzle zu stehen, in dem die Einzelteile sich allmählich für sie zusammenfügten. Wieder dachte sie: Es ist bestimmt, dass ich Simbala regiere. Die Mächte des Schicksals tun sich für mich zusammen.
Laut sagte sie: »Erscheint es euch nicht merkwürdig, dass die Nachricht einer fandoranischen Invasion zu einem Zeitpunkt kommt, da König Falkenwind die simbalesische Armee auf die Hälfte reduziert hat?«
Alora runzelte wieder die Stirn. »Ja – aber dafür gab es einen sehr guten Grund, wie du vielleicht weißt.«
Tolchin nickte. »Ich habe Truppen angefordert als Eskorte für eine Handelskarawane in das Südland.«
Evirae klopfte mit ihren langen Nägeln an die parfümierte Holzwand. »Ja, ja, das weiß ich, aber in der Vergangenheit hat König Falkenwind nie seine Zustimmung zu einer solchen Eskorte gegeben.«
Tolchin setzte sich auf. »Woher weißt du das, Evirae?«
Die Prinzessin lächelte. »Irgendjemand muss den Palast im Auge behalten.«
Alora stellte ihre Teetasse ab. »Junge Dame! König Ephrion ist durchaus in der Lage, die Interessen Simbalas wahrzunehmen. Er tut es seit über vierzig Jahren.«
»Wir werden alle alt und müde«, sagte Evirae. »Mein Vater hatte den Anstand, seinen Abschied von der Armee rechtzeitig zu nehmen. Altkönig Ephrion könnte sich ein Beispiel an ihm nehmen.«
Tolchin erwiderte: »Unvorstellbar, unvorstellbar! Ephrion ist kein General, meine Liebe. Er ist ein Monarch.«
»Falkenwind ist jetzt Monarch«, sagte Evirae, »mit ihm und dieser Rayanerin hat die königliche
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