Drachenland: Roman (German Edition)
Lagerfeuer wie ein großes schwarzes Gespenst, geräuschlos mit Ausnahme des Ächzens der Taue und des gedämpften Raschelns und Flatterns der Segel. Willen und Tweel beobachteten es wie gebannt. Es war zu dunkel, um die einsame Gestalt zu erkennen, die die Seile bediente. Der Mann wendete dem rötlichen Glimmen des Brenners den Rücken zu, und das Boot schirmte ihn gegen das Lagerfeuer ab.
Lathan wurde klar, dass der Windsegler ihn entdecken würde, wenn er dort blieb, wo er sich befand. Darum kroch er durch das Gebüsch, hinter dem er sich verborgen hatte, und ein Stück hügelabwärts, um sich in einem Blaukrautbusch zu verstecken. Der durchdringende, unangenehme Geruch der Blüten stieg ihm zu Kopf, aber er war wenigstens sicher, dass er nicht entdeckt werden konnte.
Das Windschiff landete. Der Segler warf eine Leine mit einem Greifhaken in eine Astgabel, während das Schiff beinahe schwerelos vom Boden zurückprallte. Als es sich stabilisiert hatte, kam der Windsegler nach vorn, und das Licht des Lagerfeuers fiel auf sein Gesicht.
Lathan, jetzt in sicherem Versteck, hielt den Atem an. Es war Prinz Kiorte persönlich! Erst die Prinzessin, dann der Prinz! Besaß dieser Willen die Schlüssel zu einer Sindril-Mine? Er versuchte mitzubekommen, was gesagt wurde, aber er war zu weit weg. Die Stimmen waren nicht mehr als ein sinnloses Murmeln.
Willen lehnte betrunken an einem Baum, während Tweel dem Prinzen spöttisch mit seiner Truthahnkeule zuwinkte: »Etwas zu essen, Prinz? Zweifellos habt Ihr eine lange und schwierige Reise hinter Euch.«
»In der Tat«, sagte der Prinz ausdruckslos, »aber an Essen habe ich nicht gedacht. Ich habe lange gesucht, um deinen Aufenthaltsort zu ermitteln, Willen. Ich möchte wissen, worüber du mit meiner Gemahlin Evirae gesprochen hast.«
Willen legte den Kopf schief und täuschte tiefes Bedauern vor. »Oh, es tut mir aufrichtig leid, Prinz, Euch den Wunsch abzuschlagen, wo Ihr auch noch ein Prinz seid und so. Aber ich habe der Prinzessin versprochen zu schweigen. Ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht.«
Kiorte hatte offensichtlich Mühe, nicht die Geduld zu verlieren, und sagte ruhig: »Ich bin Prinz von Simbala und Eviraes Gemahl. Was sie sagt, geht auch mich an. Ihre Angelegenheiten sind meine Angelegenheiten.«
»Das ist ja alles gut und schön, aber sie hat keine Ausnahmen gemacht, seht Ihr. Bis sie mir etwas anderes sagt …« Willen breitete die Hände aus.
»Du bist ein Einfaltspinsel«, sagte Kiorte mit angespannter, leiser Stimme, »und du bist betrunken. Was ist mit dir?«, fuhr er, zu Tweel gewandt, fort. »Wirst du dich auch einem Befehl des Prinzen von Simbala widersetzen?«
Tweel zögerte und blickte Willen an. Dann schüttelte er den Kopf. »Willen hat mir nichts erzählt. Darum kann ich Euch nichts berichten«, sagte er zu Kiorte.
Wieder war lange nichts zu hören außer dem Knacken des Feuers und dem Ächzen und Rascheln des Windschiffs. Kiorte musterte die beiden unbewegten Gestalten vor ihm. Er konnte sie nicht zwingen zu reden. Derartige Handlungsweisen waren ihm verhasst und außerdem im Augenblick nicht durchführbar.
Evirae hatte etwas vor, das wusste er – er war zu lange mit ihr verheiratet. Diesmal jedoch ging es um etwas anderes als ihre üblichen Pläne – auch das wusste er. Sie ging mit der gleichen naiven Einstellung daran, aber sie spielte mit etwas Größerem – etwas Größerem und Gefährlicherem. Diesmal zog sie Unschuldige hinein, davon war Kiorte überzeugt. Er musste die Einzelheiten in Erfahrung bringen, aber mit diesen beiden Trunkenbolden war nichts zu machen – auch das war offensichtlich.
Lathan sah zu, wie das Oberhaupt der Windsegler das Windschiff losmachte und mit ihm langsam in den Nachthimmel entschwebte. Dann erhob er sich vorsichtig und streckte sich und spürte, wie seine Gelenke krachten und ächzten. Er hatte gehofft, vor dem Rückritt etwas ruhen zu können, aber er wusste, dass es für ihn in dieser Nacht keine Ruhe geben würde. Er musste Falkenwind sofort von dieser Begegnung unterrichten.
Mit einem Seufzer machte er sich auf den Weg zum Wald, wo er sein Pferd angebunden hatte. Manchmal lohnte es sich einfach nicht, gewissenhaft zu sein.
15
In den Minen herrscht immer Mitternacht, dachte Falkenwind. Obwohl er den Tunnel im hellen Mittagssonnenschein betreten hatte, war nach der ersten Biegung aus dem Tageslicht Dunkelheit geworden. Als er die breiten Stufen hinunterstieg, die Fackel aus
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