Drachenlanze - Der Bund der ...
Stratke
entfernte sich nie weit von ihnen. Und wie ihr Vater konnte
Patrick sie mit seinen Geschichten in den Schlaf lullen. Mehr
als einmal wachte sie morgens auf, ohne sich erinnern zu
können, wie sie eingeschlafen war.
Fünf Tage nach ihrem Aufbruch aus Solace näherten sie sich
der Bucht, wo Patricks Schaluppe wartete. Von einem hohen
Felsen erhaschten sie einen ersten Blick auf die Straße von
Schallmeer. Kitiara hatte noch nie so viel Wasser gesehen –
blau mit weißen Schaumkronen und so weit die Augen sehen
konnten.
Sie folgten der Küste einen weiteren Tag lang nach Westen,
ehe sie den Rand der Bucht erreichten, wo sie das Schiff, die
»Silberhecht«, vor der Küste vor Anker liegen sahen. Die Segel
an den drei Masten waren eingerollt. Stratke zog eine große
Messingpfeife aus einer der Taschen und blies darauf einen
langen, hohen Ton, um ihr Kommen anzukündigen. Bunte
Flaggen, die auf dem Vorderdeck geschwenkt wurden, zeigten,
daß man sie bemerkt hatte.
Als sie sich dem Schiff näherten, riefen die Seeleute, die sich
über die Reling beugten, ein kräftiges Hoch auf Patrick aus. Er
ist jedenfalls ein beliebter Herr, befand Kitiara. Ihr fiel auf, daß
viele Männer auch Stratkes Namen riefen. Bewegungen unter
Deck an den Seiten des Schiffs erregten ihre Aufmerksamkeit.
Auch Minotauren, die ihre gehörnten Köpfe durch einige der
Luken zur Küste hin streckten, beobachteten die Ankunft der
Reisenden. Diese halb tierischen Sklaven würden sich bei
Flaute in die Ruder legen. Schon hatten ein paar Leute ein
Beiboot heruntergelassen, um an Land zu rudern und Patrick
und die anderen abzuholen. Kit bemerkte eine Barkasse am
Strand, mit der man die Pferde zum Schiff bringen würde.
Als sie schließlich an Bord kletterten, fiel Kit auch eine
Gruppe elegant gekleideter Männer und Frauen auf, die auf
einer Seite des Decks saßen. Es waren die einzigen, die die
Neuankömmlinge nicht begrüßten, obwohl ihre Mienen
andeuteten, daß sie über die bevorstehende Abfahrt erleichtert
waren.
»Wir nehmen ein paar Passagiere mit«, erklärte Patrick
Kitiara. »Das senkt die Kosten und stärkt die guten
Beziehungen zwischen dem Land meines Vaters und den
umliegenden Ländereien.«
In diesem Augenblick kam ein Mann auf sie zu, der sich
geschickt dem Schwanken des Schiffs anpaßte. Er trug mit
Litzen verzierte Lederkleidung und eine engsitzende, gestreifte
Kappe. Sein Gesicht war von einer ausgeprägten Hakennase
und einem fröhlichen Grinsen gezeichnet. Der sieht aus wie
einer, auf den man im Kampf zählen kann, dachte Kit, doch sie
registrierte auch, daß er keine Waffen trug. Statt dessen hingen
ein Kompaß und ein Sehglas an seinem Gürtel. Es war offenbar
der Kapitän der »Silberhecht«.
»Seid gegrüßt, Patrick und Stratke«, strahlte er, während er
ihnen abwechselnd kräftig die Hand schüttelte. Dann erst hatte
er Augen für Kitiara. »Und wer ist diese hübsche junge
Dame?«
»Kitiara Uth Matar«, erklärte sie und trat vor, um ihm die
Hand zu reichen.
»Meine Verlobte«, ergänzte Patrick sofort, ohne das
Stirnrunzeln zu beachten, das Kit ihm zuwarf.
Anstatt ihr die Hand zu schütteln, beugte sich der Kapitän
tief über ihr Handgelenk und küßte es.
Ein Ausdruck des Befremdens malte sich auf Kits Gesicht.
Die Manieren des Kapitäns waren so gut wie die seines Herrn,
obwohl Kitiara den Eindruck hatte, daß sich hinter dem
samtenen Äußeren ein stahlharter Kerl verbarg.
»La Cava«, sagte er selbstbewußt, als er sich aufrichtete. »Zu
Euren Diensten, Madame.« Seine Augen verrieten, daß ihm
jetzt, etwas verspätet etwas einfiel. »Uth Matar?« fragte er.
Kitiara nickte eifrig. »Vielleicht habt Ihr von meinem Vater
gehört«, meinte sie rasch. »Gregor Uth Matar. Er ist weit und
breit bekannt…«
»Als?« fragte La Cava, der ihre Hand losließ, ihr aber weiter
ins Gesicht sah.
»Als?« wiederholte Kitiara verwirrt.
»Nun, bekannt als was?« fragte La Cava ganz
selbstverständlich.
»Oh«, sagte Kit betreten. »Als großer Glücksritter. Ein
unvergleichbarer Kämpfer. Ein rechtschaffender und
ehrenhafter Mann.«
»Ja, natürlich«, sagte La Cava. Er überlegte noch einen
Moment, bevor sein Gesicht zu einer höflichen Maske wurde.
»Nein«, erklärte er, »ich habe noch nicht von ihm gehört.«
Patrick zog La Cava beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Der Kapitän nickte und rief: »Lurie!«
Ein großer, knochiger Mann mit vernarbter Haut kam eilig
zum Kapitän gelaufen. Sein
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