Drachenlanze - Der Bund der ...
der
Rosamund wieder bei klarem Verstand war. Den rollte Kit jetzt
zusammen und band ihn mit einem von Rosamunds
Haarbändern zu. Dann legte sie ihn neben ihre Mutter.
Liebe Mutter, ich habe einen jungen Edelmann
kennengelernt, der mich heiraten will. Wir gehen nach
Nordergod, nach Gwynned, wo seine Familie herrscht. Ich
werde reich sein und werde dir und Gilon und den Zwillingen
Geld schicken können.
Viele Grüße, Kit.
Kit wußte, daß das eine armselige Botschaft war, doch mehr
konnte sie für diese Frau nicht erübrigen, die ihren Vater
hinausgeekelt hatte und wegen deren Schwäche die Hütte für
Kitiara zu einem Gefängnis geworden war.
Als Kit noch eine Minute am Bett stand, glaubte sie, in den
grauen Augen ihrer Mutter ein blasses Licht flackern zu sehen.
Sonst jedoch nichts.
Als Kitiara sich dann zum Gehen umdrehte, streckte
Rosamund plötzlich die Hand aus und umklammerte Kits
Handgelenk mit überraschend festem Griff. Sie bewegte die
Lippen, doch es kamen keine Worte heraus. Ihre Augen
standen offen, sahen jedoch ins Leere. Nach ein paar Minuten
löste Kitiara die Finger ihrer Mutter und legte deren Hand sanft
wieder aufs Bett.
Draußen warteten Patrick und Stratke bei den Pferden. Gilon
hatte Cinnamon für Kitiara gesattelt. Daneben stand geduldig
ein Packesel, der Patricks große Kiste auf dem Rücken hatte.
Stratke, der seine Waffen zur Schau trug, marschierte
wichtigtuerisch herum, zurrte hier noch etwas fest und packte
da noch etwas um. Sein Publikum bestand hauptsächlich aus
Caramon, der doch noch aufgewacht war und jetzt andächtig
diesen Berg von Mann anstarrte.
Feierlich schüttelte Patrick erst Gilon, dann Caramon die
Hand, bevor er aufstieg. Kitiara nickte ihrem Stiefvater zu und
fuhr Caramon durchs Haar, bevor sie Cinnamon bestieg. Als
sie sich umdrehte, sah sie Caramon heftig winken. Die Sonne
glitzerte auf seinen goldenen Haaren. Hinter ihm stand Raistlin
unbewegt wie eine Statue in der Tür.
Kitiara hatte noch eines vor, ehe sie ging. Sie bat Patrick und
Stratke, am Marktplatz zu warten, während sie Cinnamon zu
Aurelie trieb. Ihre Freundin weinte, als sie die Neuigkeit hörte,
faßte sich jedoch schnell wieder.
»Ein Edelmann! Wenn ich das meiner Mutter erzähle! Ich
habe ihr immer gesagt, daß sie dich unterschätzt«, neckte
Aurelie. »Sieht er gut aus?«
Kitiara merkte, wie sie rot wurde, als sie bejahend nickte.
»Ich habe das Gefühl, das wäre eine Art von Abenteuer, das
sogar dir gefallen würde«, zog sie ihrerseits die Freundin auf.
Die beiden jungen Frauen umarmten sich. »Du kannst mir zu
den Alwits von Gwynned schreiben«, rief Kit ihr noch zu, als
sie zu ihrem Pferd hinunterstieg.
Am späten Vormittag befanden sie sich auf einer der
Straßen, die von Solace aus durch flaches Ackerland nach
Norden führten. Sie mußten zuerst nach Norden und dann
etwas nach Osten, um die Gipfel des Kharolisgebirges zu
umgehen und die Bucht zu erreichen, wo Patricks Schiff
wartete.
Zuerst war Kit etwas schwindelig angesichts der sich
überschlagenden Ereignisse, doch am späten Nachmittag hatte
sie sich an das Reisen gewöhnt und fand immer mehr Spaß
daran. Die drei waren gute Gefährten. Und darüber hinaus war
sie endlich Solace und seinem nervtötenden Trott entkommen.
Und sie ritten nach Norden – die Richtung, die ihr Vater zuletzt
eingeschlagen haben sollte.
Nachdem sie durch Getreidefelder gezogen waren, erreichten
sie sanft gewellte grüne Hügel, dann steileres Gelände, als sie
auf ihrem Weg zur Küste die hinteren Ausläufer der
Kharolisberge passierten. Hier gab es kaum Ortschaften und
den wenigen wich Patrick aus, weil er sagte, er hätte genug
vom Reisen und wollte unbedingt nach Hause. Von anderen
Weggenossen hörten sie von einem zweiköpfigen Troll, der die
Gegend in Schrecken versetzte, doch sie sahen nichts von
dieser Bestie.
Ein bis zwei Stunden bevor sie ihr Nachtlager aufschlugen,
überließ Stratke Patrick und Kit jeden Tag sich selbst, um dann
mit einem Hasen oder anderem Wild zurückzukehren, das er
zum Abendessen zubereitete. Er war ein erstaunlich guter
Koch. Nach dem Essen saßen sie und Patrick normalerweise
Arm und Arm da und unterhielten sich, wobei ihnen Stratke als
aufmerksamer Zuhörer willkommen war.
Unter dem sternenübersäten Himmel fragte sich Kitiara oft,
ob sich der leidenschaftliche Kuß, den sie und Patrick an jenem
Abend am Krystallmirsee ausgetauscht hatten, wiederholen
würde, doch seltsamerweise kam es nicht dazu.
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