Drachenlanze - Der Bund der ...
die Augen auf, Staunen und
noch etwas anderes. Sie konnte einen Schauer des Abscheus
nicht unterdrücken. Mit Patrick und Stratke unterwegs zu sein,
würde Spaß und Abenteuer bedeuten, aber das letzte, was sie
jemals wollte, war heiraten, selbst wenn sie sich so zu
jemandem hingezogen fühlte wie zu Patrick. Bilder von
Rosamund, von Aurelies Mutter, von Frauen, die nur noch im
Haus lebten und deren Leben völlig von Männern abhängig
war, überschwemmten sie.
»Kitiara«, meinte Patrick rasch. »Ich will gar nicht, daß du
jetzt ja oder nein sagst, und ich verspreche dir, daß ich dich nie
unter Druck setzen werde. Es ist eine lange Reise nach
Nordergod, mindestens vier Wochen. Da hast du reichlich Zeit,
über mein Angebot nachzudenken. Nimm dir diese Zeit und
mehr, wenn du willst.«
»Aber«, fing Kitiara an, die nach den richtigen Worten
suchte, »ich weiß nicht, ob ich überhaupt jemals heiraten will.
Am allerwenigsten jetzt. Es gibt noch so viel…«
Kit sah den schönen jungen Mann an, der neben ihr saß, und
war verwirrt. Niemand hatte sie je mit solcher Rücksicht und
Höflichkeit behandelt wie er. Niemand hatte in ihr je solche
Gefühle geweckt wie er, jetzt, wo er ihr tief und
verständnisvoll in die Augen sah.
»Mach dir jetzt keine Gedanken darüber«, tröstete Patrick
hastig. »Wir haben uns schließlich gerade erst kennengelernt,
aber wir werden noch viel voneinander erfahren. Wenn du mit
in mein Land kommst, wird man dich wie eine Königin
behandeln. Du bekommst alles, was du willst. Du wirst Essen
und Kleider bekommen und Sklaven, die deine Befehle
ausführen. Das gefällt dir vielleicht.«
Doch, dachte Kitiara bei sich, das könnte ihr gefallen.
»Wieso ich?« fragte sie.
Stratke war aufgestanden und gab grunzende Laute von sich,
während er sich streckte und den Hügel hinaufblickte. Über
dem Horizont war die Sonne aufgegangen, die alles in Rosa
und Orange tauchte.
Patrick seufzte tief. »Weil«, sagte er sehnsüchtig, »weil ich
glaube, ich liebe dich.«
Kitiara fiel auf, daß Stratkes Geräusche aufgehört hatten. Er
beobachtete sie genau. Bis sie ihren Mund aufmachte, wußte
sie noch nicht, wie ihre Antwort ausfallen würde. »Na gut«,
sagte sie, ohne genau zu wissen, was sie damit meinte.
Kitiara war etwas irritiert, weil ausgerechnet Gilon von allen
am traurigsten darüber wirkte, daß sie vielleicht für immer
fortging (auch wenn sie das »für immer« herunterspielte). So
laut, daß Patrick und Stratke es mitbekamen, riet sie Gilon, ihr
noch mindestens so lange den Dachboden freizuhalten, bis er
hörte, daß sie sich in Nordergod gut eingelebt hatte.
»Ich hoffe, du wirst glücklich werden, Kit«, sagte Gilon, als
sie ein paar Sachen zusammenpackte, um aufzubrechen. »Aber
wenn nicht, dann hoffe ich, daß du zurückkommst, denn wir
werden dich vermissen.«
Caramon und Raistlin war davon nichts anzumerken. So früh
am Morgen lag Caramon noch verschlafen in seinem Bett, ein
einziges Knäuel mit seiner Bettdecke. »Tschüß«, murmelte er,
bevor er sich herumrollte.
Raistlin war natürlich schon auf und in ein dickes, zerlesenes
Buch vertieft. Er saß auf einem Hocker in der hinteren Ecke
des großen Zimmers. Als Kit ihm zum Abschied einen
flüchtigen Kuß auf die Wange drückte, sah er hoch und schaute
zuerst sie, dann Patrick und Stratke an, die respektvoll an der
Tür warteten. Dann war er wieder bei Kit.
»Du kommst zurück«, sagte er und senkte seine Augen
wieder auf das Buch.
Na ja, dachte sie, er und Caramon sind bloß Kinder. Was
habe ich erwartet, eine Abschiedsrede?
»Du mußt dich von deiner Mutter verabschieden.« Gilon
bestand darauf.
Kitiara wand sich. »Sie wird nicht einmal verstehen, was ich
sage.«
Gilon zuckte mit seinen großen Schultern und ging hinaus,
um dort zu warten. Patrick und Stratke winkte er mit sich.
Patrick warf Kitiara noch einen erwartungsvollen Blick zu, als
er hinter sich die Tür zumachte.
Rosamund schlief nicht. Sie lag halb ansprechbar auf ihrem
zerwühlten Bett und starrte die Decke an. Quivera, die jetzt
einkaufen war, hatte ihr anscheinend die Haare gebürstet, so
daß sie wie ein weißer Heiligenschein auf dem Kissen um ihren
Kopf lagen. Leise atmete Rosamund durch ihre geöffneten
Lippen, die rosa und geschwollen wie Blütenblätter aussahen.
Kit schaute ihre Mutter kalt an und redete dann so leise wie
möglich mit ihr. Auf Gilons Drängen hin hatte sie einen Brief
geschrieben, falls doch einmal eine Zeit kommen würde, in
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