Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
Vom Netzwerk:
Abwechselnd ängstigte und
tröstete ihn das Geräusch.
    Die Gegenwart wollte ihn. Sie würde ihn trösten.
Plötzlich wurde der Ruf dringlicher, als wäre die Gegenwart
gleichzeitig ängstlich und wütend. Hier lang, kleiner Elf. Hier
lang. Ich beschütze dich. Ich gebe dir alles, was du willst, wenn
du mich nur befreist. Hier lang.
In diesem Augenblick wußte Miral, wo es lang ging. Die
Gegenwart verriet es ihm. Seine kräftigen Beinchen setzte sich
in Gang und liefen einen Steinkorridor nach dem anderen
hinunter. Er flitzte um eine letzte Ecke, denn er wußte, daß die
Gegenwart ganz nah war, und…
Plötzlich blitzte Licht durch die neue Kammer, in der Miral
sich wiederfand. Eine Weile konnte er nichts sehen. Die
Gegenwart erschien ihm nicht mehr als das große Gute. Statt
dessen war sie überwältigend böse.
    Er wurde ganz heiser vor Schreien, brüllte nach seiner Mama
und rannte im Kreis vor dem Summen davon, das die Höhle
beben ließ, die plötzlich weder Eingänge noch Ausgänge hatte.
In der Mitte der Höhle war die Quelle des Lärms, des Lichts,
des Schreckens, das verstand er selbst in seiner kindlichen
Unschuld. Da stand ein pulsierender Edelstein, der größer war
als sein Kopf. Seine geschliffenen Seiten schossen graue und
rote Strahlen in jede Vertiefung in den Felsen ab. Seine Augen
taten weh, aber wenn er sie zumachte, blieben die Strahlen
trotzdem nicht draußen. Wieder fing er an zu schluchzen.
    Das graue Juwel wollte ihn. Seine Worte dröhnten in Mirals
kleinem Kopf. Befrei mich. Laß mich frei, dann gebe ich dir
alles, was du willst. Bilder von Spielzeug, von Mama, von Eld
Ailea und von leckerem Essen tauchten nacheinander vor
seinen Augen auf. Miral war heiß. Seine Stimme war rauh; er
wollte etwas zu trinken.
    Plötzlich hing vor ihm in der Luft eine Tasse mit süßem
Wasser. Als er danach griff, verschwand sie. Diese Mischung
aus Bekanntem und Unmöglichem ließ den kleinen Jungen
aufheulen. Er entdeckte eine Spalte in der einen Wand und
rannte hin, um sich hineinzuquetschen. Dann drückte er sich
ganz weit hinein, während ihn von der Höhle aus jedes
Monster bedrohte, vor dem er sich als Kind gefürchtet hatte.
Und dann kam der Teil, der immer kam – die starke Hand,
die ihn tiefer in die Spalte riß.
     
Miral erwachte schweißgebadet.
     
    Kapitel 7
Ein Mordversuch
A.C. 308, Mittsommer
    Eine gute Woche später arbeitete Flint gerade an Porthios’
Kentommen-Medaille, als Lord Tyresian
– natürlich ohne
anzuklopfen, wie Flint registrierte – in das Steinhaus des
Zwergs marschierte. Nur Tanis durfte den Laden
unangekündigt betreten. Selbst Windsbraut klopfte auf ihre
Weise, denn ihr Hufschlag warnte den Zwerg normalerweise
früh genug, um zur Tür zu springen.
    Nach der sengenden Hitze vor einer Woche hatte sich das
Wetter abgekühlt. Heute war so ein Tag, an dem die meisten
Leute in Qualinost Quith-Pa, Käse und süßsauer eingelegtes
Gemüse in einen Picknickkorb packten und sich zu einem der
Aussichtspunkte an den Flüssen aufmachten. Aber der Zwerg
verschwendete keinen Gedanken an Erholung. Er hatte einen
wichtigen Termin; bis zum Kentommen war nur noch eine
Woche Zeit.
    Wegen des bevorstehenden Festtags waren natürlich viele
Adlige von Qualinost darauf gekommen, daß sie noch Aufträge
hatten, die unbedingt noch vor Porthios’ Kentommen fertig
werden mußten. Flint nahm die Aufträge an, gab aber allen
dieselbe Antwort: Er arbeitete an einem Auftrag für die
Stimme der Sonne und würde sich, leider, vielleicht erst nach
dem Fest um die Anliegen seiner Auftraggeber kümmern
können. Sie waren natürlich nicht glücklich, daß Flint
Feuerschmied zwar unbestritten der geschickteste
Schmiedekünstler im Umkreis war, aber auch so unbeugsam
wie ein Minotaurus sein konnte.
    Die beiden Scheiben für die Medaille lagen vor ihm, und er
schlug mit einem feinen Meißel und einem Hämmerchen
sorgfältig Öffnungen in die goldene Vorderseite. Kritisch
betrachtete er das Ergebnis. Durch den Meißel bekamen die
Öffnungen einen etwas rauhen Rand, der ihm gut gefiel.
Besonders gut paßte er zu den Bäumen. »Ist auch gar nicht
schlecht, weil ich doch keine Zeit mehr habe, es noch mal
nachzubearbeiten«, murmelte er.
    In diesem Moment ging die Tür auf, die Glocke bimmelte,
und der hochmütige Elfenlord mit den kurzen, blonden Haaren
trat herein.
»Zwerg, ich brauche Eure Dienste«, verkündete Tyresian.
Flint ließ sich die Zeit, die Einzelteile der Medaille mit der
    Skizze

Weitere Kostenlose Bücher