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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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abzudecken, blickte von seinem Stuhl am Tisch auf und
warf dem Elfenlord ein Lächeln zu, das mehr einem
Zähnefletschen glich. »Tretet ein, Lord Tyresian.« Er zeigte
mit dem Meißel auf die Steinbank. »Nehmt Platz.«
    Gemäß Elfenprotokoll hätte Flint aufstehen müssen, als der
Elfenlord den Raum betrat, doch Flint und Solostaran scherten
sich, wenn die Stimme den Zwerg allein besuchte, längst nicht
mehr um diese Formalität. Tyresian jedoch lief rot an vor
Ärger. Daß der Elfenlord sich nicht über die Mißachtung
beklagte, war für den Zwerg ein Beweis, daß Tyresian seine
Dienste wirklich dringend brauchte. Das zauberte ein erneutes
Lächeln auf Flints Gesicht.
    »Was für einen Dienst braucht Ihr denn?« fragte Flint
ausdruckslos, während er sich in seinem Stuhl zurücklehnte.
Wieder zeigte er auf die Bank mit dem Meißel. »Nehmt Platz.«
    Tyresian war sichtlich unsicher, ob er sich da hinsetzten
sollte, wo der Zwerg es ihm gesagt hatte – und damit der
Aufforderung eines Rangtieferen folgte
–, oder ob er lieber
stehenblieb, was bedeuten mochte, daß er, und nicht Flint, der
Rangniedere war. Darum wanderte er rastlos durch den Raum,
ohne lange genug irgendwo stehenzubleiben, um sich
hinzusetzen. Nachdem er dreist durch den Raum gelaufen war,
den Schrank, Flints Feldbett, die geschnitzte Truhe und die
Schmiede begutachtet hatte, zog Tyresian sein Kurzschwert
und reichte es dem Zwerg mit dem Griff nach vorn.
    Wortlos nahm Flint die Waffe entgegen und untersuchte sie.
Es war ein Schwert für Zeremonien, das bei offiziellen
Anlässen getragen wurde, denn es war dicht mit Smaragden
und Mondsteinen besetzt und hatte Stahlintarsien. Der Wert der
Waffe hätte eine Familie aus Qualinesti acht Monate lang
ernähren können.
    »Nicht sehr praktisch im Kampf«, bemerkte Flint.
»Es ist für offizielle Anlässe«, sagte Tyresian herablassend.
»Wie das Kentommen von Porthios Kanan«, schloß der
Zwerg. Der Elfenlord nickte.
    Flint untersuchte die Waffe weiter. Das Holz des Hefts war
gespalten. Ein Teil der Stahlintarsien war locker, und ein
Edelstein – dem Abdruck nach tippte er auf einen Smaragd –
fehlte. Das war keine einfache Reparatur; ein geschickter
Handwerker mußte den Griff neu anfertigen und solange alles
andere liegenlassen.
»Das würde eine Woche dauern«, sagte Flint schließlich.
»Ich habe keine Zeit.«
    Der Elfenlord wurde wütend, und seine blauen Augen
blitzten, doch er hielt seine Stimme ebenso im Zaum wie der
Zwerg. »Das Kentommen ist erst in einer Woche, Meister
Feuerschmied.«
»Ich habe andere Arbeit.«
    Tyresian richtete sich auf. »Dann legt sie zur Seite. Erledigt
diesen Auftrag.«
Flint gab dem Elfenlord das Kurzschwert zurück. »Vielleicht
findet Ihr einen anderen Schmied dafür.«
»Aber…«
In dem Moment traten Eld Ailea und Tanis ein und
unterbrachen Lord Tyresians Erwiderung. Die alte Hebamme
war wie üblich in grelle Farben gekleidet
– gelb und blau
gestreifte Bluse, roter, angekrauster Rock und rote Schuhe,
alles mit
blaßgelben Margeriten bestickt. Tanis wirkte ganz in
Braun neben ihr praktisch farblos. Zwischen sich trugen sie –
wegen des erheblichen Größenunterschieds zwischen der
Hebamme und dem Halbelfen leicht schief
– einen riesigen,
geflochtenen Korb, der bis oben hin voll Maiskolben war. In
der freien Hand hielt Tanis einen kleinen Teller, der mit einer
umgedrehten Schale abgedeckt war. Sie blieben auf der
Schwelle stehen und blinzelten aus der hellen Mittagssonne in
den dämmrigen Laden des Zwergs.
»Mittagessen, Flint!« flötete Ailea. »Frischgepflückter, süßer
Mais!«
»Mit frischer Butter«, fügte Tanis hinzu und hielt den Teller
hoch.
Da trat Lord Tyresian in das Lichtfenster an der Tür, und die
beiden verstummten.
»Na, sieh mal an«, sagte der Elfenlord lakonisch,
verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf die beiden
herab. »Zwei Mörder beieinander. Vergleicht ihr vielleicht eure
Erfolge? Der Wert, einen Pfeil in Lord Xenoths Brust zu
schießen gegen, sagen wir mal, den Tod meiner Mutter im
Kindbett? Oh, aber ich vergaß, Tanis, Ailea hat auch deine
Mutter sterben lassen, nicht wahr?«
Eid Ailea erbleichte unter ihrer Sonnenbräune; sie legte die
Hand vor den Mund und unterdrückte einen leisen Schrei.
Tanis bewegte sich drohend auf Tyresian zu, wobei er den
Korb losließ, so daß zwei Maiskolben herunterrollten und vor
Flints Tür zwischen die Blumen fielen.
Dann stand Flint plötzlich zwischen ihnen, der Tanis mit
dem

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