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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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schweigen, wickelte
die Eisenhaken am Ende der Strickleiter aus und legte sie über
das Fensterbrett. Wieder blickte er in den Hof. Er war immer
noch verlassen. Die meisten Bewohner des Palastes feierten in
den Straßen von Qualinost. Jubelklänge kamen hier oben an.
    Zufrieden ließ der Zwerg die Leiter nach unten. Dann
vergewisserte er sich, daß der dicke Sack sicher über seiner
Schulter hing, schwang seinen untersetzten Körper durch das
Fenster und trat auf die Leiter. Dabei hielt er kurz an, um Tanis
zuzuwinken, damit er nachkam. Flint schloß die Augen, bis der
leichte Schwindelanfall vorbei war.
    Aber der Halbelf sträubte sich. »Weißt du, welche Strafe
darauf steht, sich einem Arrestbefehl zu widersetzen?« fragte
er.
    Der Zwerg schlug wieder die Augen auf und zog die
buschigen Augenbrauen hoch.
»Verbannung!« flüsterte Tanis.
Flint lehnte sich ins Fenster zurück und brachte seinen Mund
an Tanis’ Ohr. »Was hast du also zu verlieren?« fragte der
Zwerg gedämpft. »Außerdem kommst du ja zurück.«
Kurz darauf stieg Tanis von der Leiter hinunter in den Hof
und sah zu, wie Flint an einem Seil zog, das die Leiter von den
Eisenklammern löste, die immer noch am Fensterbrett hingen.
»Eigene Erfindung«, erklärte der Zwerg gelassen, während er
den Halbelfen hinter einen Birnbaum schob. Flint wühlte in
dem Ledersack herum und zog eine Maske heraus, die dem
Kopf eines Gossenzwergs ähnelte. Er wies den Halbelfen an,
sie sich über den Kopf zu ziehen.
Tanis’ runde Augen weiteten sich. »Ich soll mich wie ein
Gossenzwerg anziehen?«
»Nur ein Kostüm«, flüsterte der Zwerg. »Damit du
unerkannt vom Palast zur Westbrücke kommst.«
»Ein sechs Fuß großer Gossenzwerg?« zischte Tanis.
Flint brachte seinen Freund zum Schweigen. »Das war das
letzte, das der Verkäufer noch hatte. Du solltest froh sein, daß
ich die nachgemachte Rattenleiche weggeschmissen habe, die
noch dazugehörte.«
»Aber…«
Flint überging ihn. »Laurana sagt, daß die Elfen bis
Mitternacht verkleidet sein werden. Dann endet das Fest, und
sie benehmen sich wieder normal. Also haben wir eine Stunde
Zeit, um aus Qualinost herauszukommen.«
Tanis hielt die Gossenzwergmaske immer noch in der Hand
und betrachtete ihre olivgrüne Haut, den verfilzten Bart und
den blöden Ausdruck. Auf seinem eigenen Gesicht malte sich
Ärger. »Wenn du glaubst, ich würde fliehen, dann kennst du
mich schlecht«, sagte er ohne jeden Versuch, seine Stimme zu
senken. Er wandte sich ab, als wenn er die Maske wegwerfen
wollte.
Flint hielt ihn am Arm fest. »Vertrau mir!« schimpfte er zum
tausendsten Mal, dachte er. Der Ärger in den Augen des
Halbelfen wurde zu Unentschlossenheit. »Vertrau mir«,
flüsterte Flint wieder.
Endlich setzte Tanis die Maske doch auf. »Ich komme mir
lächerlich vor«, kamen seine Worte gedämpft hinter der Maske
hervor.
»Dabei siehst du so hübsch aus«, sagte Flint. »Komm jetzt.«
Sie liefen durch den Hof und die Gärten und dann vor dem
Palast auf die Straßen, wo sie sich unter die feiernden Elfen
mischten. »Ja, schlafen die denn nie?« fragte Flint gereizt, als
ihn bereits der dritte Elf anrempelte.
»Nur sehr wenig, bis das Kentommen vorbei ist.« Tanis’
Stimme klang unter der Maske hohl.
Flint hielt sich an den Straßenrand und schob sich an den
Hauswänden entlang, um nicht von den Feiernden angerempelt
zu werden.
Eine halbe Stunde später kamen sie unter dem
geschwungenen Bogen durch, der den Westrand der Stadt
umspannte, und wandten sich nach Süden zu der Brücke über
den Fluß der Hoffnung. Die gepflasterte Straße wurde
schmaler, und von beiden Seiten hingen Zweige auf den Weg.
Um sie herum tanzten immer weniger Elfen, bis Flint und
Tanis sich fast allein durch die Nacht bewegten. Tanis wollte
die Maske absetzen.
»Warte lieber, bis wir über die Brücke sind, Junge«, sagte
Flint. Beim Gedanken daran, die Brücke im Dunkeln zu
überqueren, während tief unter ihm der Fluß der Hoffnung
durch die Schlucht toste, wurde ihm ganz anders. Er bekämpfte
das Gefühl, während er Tanis rasch erklärte, was der Zwerg in
den letzten zwei Tagen erfahren
– oder, besser gesagt,
herausgeknobelt – hatte.
»Du glaubst also, daß jemand Gilthanas während seiner
Wache am Kentommenai-Kath angreifen könnte?« fragte
Tanis.
»Es ist möglich«, sagte Flint. »Und im Moment können wir
uns nur an Möglichkeiten halten.«
Nach zwei Tagen Kentommen waren die Wachen auf der
Brücke offenbar schon an kostümierte

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