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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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Verzweifelt versuchte er, sich mit
den Händen festzuhalten oder mit den Stiefeln irgendwo zu
bremsen. Es mußte doch ein Felsnase oder einen Sims geben,
wonach er greifen und seinen Fall verlangsamen konnte. Aber
der kalte Stein des Kamins war wie Glas, vom Regenwasser
der Jahrhunderte blank gewaschen. Flint rutschte weiter in die
Dunkelheit. Der Kamin bog nach rechts ab.
    Er fragte sich gerade, wo seine dunkle Fahrt enden würde –
plötzlich und unangenehm zweifellos, wenn der Spalt auf
einmal an eine Steinwand stieß –, als er merkte, daß es weniger
steil wurde. Der Schacht lief sanft aus.
    Als er endlich am Ende ankam, war die Spalte fast eben, und
Flints Rutschpartie war langsam geworden. Einen Moment
lang war er ringsum vom Stein des Schachts umgeben, im
nächsten war da nur noch dunkle, feuchtkalte Luft.
    »Reorx!« fluchte Flint, als er im Leeren herumruderte und
dann platschend in eiskaltes Wasser fiel. Die Strickleiter, die er
während des Falls nutzloserweise festgehalten hatte, landete
neben ihm.
    Der Zwerg schlug spuckend um sich und prustete in dem
metallisch schmeckenden Wasser herum – bis er erkannte, daß
er irgendwie nicht tiefer in das eisige Naß eintauchte. Erst da
merkte Flint, daß er auf Händen und Knien hockte und daß das
Wasser ihm nur bis zum halben Unterarm reichte. Wenn er
nicht so um sich geschlagen hätte, wäre er wahrscheinlich gar
nicht besonders naß geworden.
    Das alles – dazu hatte der Sturz noch seine Schulterwunde
wieder aufgerissen – machte ihm nicht gerade gute Laune.
»Bei Reorx’ Schmiede!« stammelte er, während er sich aus
dem flachen Wasser zog. Doch er bereute seine Worte auf der
Stelle. Sie hallten in der Finsternis um ihn herum nach, als
wenn er sich in einer riesigen Höhle befände. Flint hatte den
beunruhigenden Eindruck, daß die Schwärze wütend
aufwirbelte, als wollte sie ihre Stille nicht durch seine Worte
stören lassen. Der Zwerg fühlte einen Schauer über seine Haut
laufen – eindeutig vom kalten Wasser, versicherte er sich, auch
wenn er fürs erste den Rest seiner Beschwerden für sich
behielt.
Flint setzte sich kurz auf den kalten Boden und versuchte
zitternd, in der Dunkelheit wieder zu Atem zu kommen. Er sah
sich um, konnte aber nirgends Licht entdecken
– wenig
überraschend mitten in der Nacht im Inneren einer Schlucht,
fand er. Der Sturz konnte kurz gewesen sein oder die halbe
Schlucht runter; das konnte er nicht feststellen. Sein Herz
setzte fast aus, als er an Tanis da oben dachte. Flint schüttelte
den Kopf. Jetzt konnte er Tanis nur durch ein kurzes Gebet zu
Reorx helfen und versuchen, einen Weg nach draußen zu
finden, wo auch immer er gelandet war.
Flint spähte in die Finsternis um sich herum. Zwerge haben
eine besondere Sehfähigkeit, durch die sie fähig sind, Wärme
wahrzunehmen, die von etwas ausgeht – was Flint in der kalten
Schwärze hier unten kein bißchen weiterhalf.
Aber auf einmal sah er doch etwas – etwas, das wie zwei
blasse Kreise aussah, die nebeneinander schwammen, und zwar
dort, wo er den kleinen Teich wußte. Die Kreise waren so matt,
daß er sie kaum sehen konnte, und leuchteten in einem
kränklichen Grün. Dann bemerkte er ein weiteres Paar kleiner
Kreise und noch eins, das langsam vor ihm her trieb.
Flint klopfte die Taschen seines Lederwamses und seiner
Hosen ab, bis er gefunden hatte, was er suchte – Flint und
Stahl, Zunder und einen Kerzenstummel. Zum Glück waren die
Sachen in geöltes Leder eingewickelt gewesen, so daß sie noch
trocken waren. Kurz darauf hatte Flint einen Funken
geschlagen. Ein Flämmchen leuchtete auf.
Im flackernden Licht sah Flint, wie sich vor ihm die dunkle
Wasserfläche wie polierter Onyx erstreckte. Der Zwerg
erschauerte, als er die Quelle des seltsam blassen Lichts sah:
Fische, die in dem eiskalten Teich schwammen. Die Fische
waren blasse, schwächliche Geschöpfe von der Länge seines
Unterarms, mit gewölbten Augen, so groß wie Untertassen.
Ihre Augen hatten das kränkliche Licht ausgestrahlt. Das Licht
seiner Kerze schien sie zu stören, denn sie schwammen still
davon, auf der Suche nach der Finsternis, die sie seit Äonen
ungestört bewohnten.
»Bei den Göttern, was ist das für ein Ort?« murmelte Flint in
sich hinein. Er hob die Kerze in die Höhe und sah sich um. Der
Boden war aus grauem Stein
– Kalkstein wahrscheinlich,
überlegte er, der unter der oberen Granitschicht lag – und die
Wände aus dem gleichen Material. Aber der Stein wirkte

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