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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Daniell
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nach oben
gelangen mußte, um hier heraus zu kommen, und die Stufen
hinter dem Podest schienen der einzige Weg zu sein.
    Seine Stiefel wirbelten Staubwolken auf, als er die lange
Treppe hochstieg, doch der Zwerg hielt sich die Nase zu, um
nicht zu niesen. Soweit es ihn anging – je weniger Lärm er in
der bedrückend stillen Finsternis machte, desto besser. Schon
jetzt hatte er den beunruhigenden Eindruck, daß ihn etwas aus
den Schatten beobachtete, und zwar mißbilligend.
    Flint konnte fühlen
– und dabei sträubten sich ihm die
Nackenhaare –, daß er hier nicht willkommen war. Aber
solange es so aussah, als ob er sich nach Kräften bemühte,
einen Weg nach draußen zu finden, würde vielleicht das (oder
der?), was in den undurchdringlichen Schatten lauerte, ihn in
Ruhe lassen.
    Wie in einem düsteren Traum durchwanderte Flint die
labyrinthartigen Gänge und Räume, wobei er allmählich höher
kam. Das Zittern, das ihn gelegentlich überfiel, versuchte er zu
ignorieren. Die feuchten Kleider klebten an seinem Körper.
    Einst mußte das hier ein wundervoller Ort gewesen sein, mit
all diesen höhlenartigen Sälen und den schönen
Wendeltreppen. Aber mit der Zeit hatte das Wasser die einst
stolzen Statuen zu grotesken Gestalten verwandelt. Kostbare
Teppiche, die die Wände geziert hatten, hingen in
unheimlichen Fetzen herunter wie Spinnweben einer großen
Schattenspinne. Flint näherte sich einem der Wandbehänge,
doch schon die Berührung seines Fingers reichte aus, um ihn
zu Staub zerfallen zu lassen. Räume, deren vergoldete Wände
ehemals im Licht von tausend Fackeln erstrahlt waren, stellten
jetzt muffige Höhlen dar, in denen der schwache Schein von
Flints Kerze kaum Helligkeit schuf. Die Luft roch noch nach
denen, die hier gestorben waren.
    Die Atmosphäre lastete schwer auf Flint und seinem
Zwergenherz. Geschichten uralter Zwergenkönigreiche
erklangen in seinem Ohr.
    Während er so durch die düsteren Hallen wanderte, war Flint
gelegentlich gezwungen, seine eigenen Fußstapfen
zurückzuverfolgen, wenn ein Gang plötzlich in einer Sackgasse
endete oder in einen Raum zurückführte, durch den er bereits
gekommen war. Aber zumeist führten ihn seine Zwergensinne,
die die leisesten Veränderungen von Luftzug oder Neigung der
Steine mitbekamen, stetig nach oben. Wie weit er eigentlich
gehen mußte, war Flint allerdings unklar. Er konnte nicht
abschätzen, wie tief er in dem Schacht abgerutscht war – oder
ob er überhaupt noch irgendwo bei Qualinost war.
    Irgendwann brannte jedoch sein Kerzenstummel herunter.
Flint jaulte, als die Flamme seinen Finger verbrannte und das
letzte bißchen Kerze ihm über die Hand flöß und zischend in
einer Pfütze landete, wo es verlosch. Schnell und leise schloß
sich die Dunkelheit um den Zwerg, als wenn hier nie ein Licht
gewesen wäre.
    »Verdammt!« fluchte Flint leise, während er an seinem
verbrannten Finger saugte. Er wußte instinktiv, daß er kurz vor
einem Ausgang war; erst vor einer Minute war er ganz sicher
gewesen, daß er einen etwas frischeren Luftzug
wahrgenommen hatte. Aber er konnte kaum etwas tun. Weil er
merkte, wie erschöpft er inzwischen war, beschloß er, daß es
nichts schaden könnte, die Augen ein wenig auszuruhen und
dabei über einen Ausweg aus seiner Lage nachzudenken.
Vielleicht würden sogar seine Kleider etwas trocknen.
    Die Schatten waren beängstigend, aber Flint verdrängte
jeden Gedanken daran. Sie hatten ihn bis jetzt in Ruhe
gelassen, deshalb kauerte er sich an eine Wand. Obwohl er die
Augen nur ganz kurz zumachen wollte, fiel der Zwerg rasch in
tiefen Schlaf.
* * *
    Zunächst fast unmerklich ließ die Dunkelheit am Horizont
etwas nach, wie der Halbelf feststellte. Langsam verblaßten die
Sterne, und ein schwaches Licht kroch am Horizont in den
Himmel.
    Durch den lautstarken Besuch von Windsbraut war Gilthanas
etwas wach geworden, um dann aus der Bewußtlosigkeit in
Schlaf zu wechseln. Tanis, der jetzt zu erschöpft war, um noch
einzudösen, konnte nur noch zusehen, wie das Licht allmählich
zunahm, bis sich irgendwann die Sonne über den fedrigen
Morgenwolken erhob und sie wie ein rotes Auge ohne jedes
Zwinkern ansah. Die Schlucht unter ihnen lag in silbrigem
Nebel.
    Drüben im Osten hörte Tanis die Trommel, die das Zeichen
gab, daß die drei Ulathi den Turm verlassen hatten, um
Porthios im Hain abzuholen. Dort würden sie ihn in eine graue
Robe kleiden, in genauso eine wie die von Gilthanas, und ihn
zum Melethka-Nara,

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