Drachenlanze - Die Stunde der Diebe
drehte Tolpan den Hupakstab um.
Das metallbeschlagene Ende zeigte nun auf das
heranstürmende Monster, und dann stieß der Kender den
Hupak mit aller Kraft nach vorne. Er merkte, wie das Holz
zitterte und knirschte, als seine Waffe die dicke Haut des
Hobgoblins durchdrang und direkt in seine Eingeweide sank.
Als der Hobgoblin zu Tode getroffen stöhnte, wehte sein
heißer, nach verfaultem Fleisch stinkender Atem über Tolpan
hinweg. Der sprang beiseite, damit der taumelnde Körper an
ihm vorbei auf den Boden knallen konnte. Der Kender kicherte
hörbar, als ihm der letzte, ungläubige Blick in den feindseligen
Augen der Kreatur bewußt wurde.
Die Schreie von Pferd und Mann brachten Tolpan schnell
wieder in die Wirklichkeit zurück. Ein weiterer Hobgoblin
versuchte, den Zügel des Pferds zu erwischen, während ein
anderer geradezu spielerisch mit dem Menschen kämpfte, der
sich ziemlich kläglich mit einem großen Holzhammer
verteidigte.
Tolpan duckte sich, zog ein langes, dünnes Messer aus der
Hose und rannte zum Kampfplatz. Ohne langsamer zu werden,
lief er direkt an dem ersten Hobgoblin vorbei. Im Vorübereilen
stach er mit dem Messer zu und durchtrennte das feste Fleisch
kurz unter dem Hintern des Monsters. Vor Schmerz und
Schreck heulte der Hobgoblin auf und geriet ins Taumeln, als
die jetzt nutzlosen Muskeln seines verkrüppelten Beins
nachgaben. Schauderhaft jaulend, wankte er mit
nachgezogenem Bein in den Wald und verschwand.
Der letzte aus der Gruppe, der mit dem Menschen
herumgespielt hatte, wurde durch das Schreien abgelenkt. Was
er jetzt sah, ließ ihm den Unterkiefer heruntersacken. Drei
seiner Gefährten lagen tot im Schlamm, ein vierter war
gefährlich verwundet und auf der Flucht, und ein Kender mit
einem blutigen Messer grinste ihn an.
Der Kender zuckte zusammen, als der Holzhammer des
Mannes auf den Hinterkopf des Hobgoblins heruntersauste.
Der rollte mit den Augen, und sein Körper sackte auf dem
weichen Boden zusammen.
»Ich glaube, der ist ziemlich tot«, befand Tolpan.
Der Mann starrte voller Entsetzen auf das, was er getan
hatte, ließ den Hammer fallen und lehnte sich ein paar Minuten
keuchend und zitternd an einen Baum hinter sich. »Danke für
deine Hilfe, Fremder«, brachte er schließlich heraus. »Ich
wußte, es war noch zu früh, um aufzubrechen, ich wußte es ja.
Habe ich auf mich gehört? Nein, ich habe auf Hepsiba gehört.
>Wir brauchen Geld. Es ist Frühling. Los, auf die Straße, du
dummer Faulpelz!< Das hat sie gesagt. Also bin ich
losgefahren, vor allem, um ihrer Nörgelei zu entkommen, geb
ich ja zu. Und da steh ich nun, mitten in der Wildnis und
kämpfe um mein Leben, während mein Karren bis zur Achse
im Schlamm steckt. Diese Reise ist gewiß von den Göttern
verflucht!«
»Worüber beschwerst du dich eigentlich?« fragte Tolpan
verwundert. »Du lebst, und die anderen nicht.« Er nickte zu
dem Gemetzel hinter ihnen hinüber. »Ich würde sagen, du
hattest einen höchst erfolgreichen Tag, abgesehen davon, was
mit deinem Karren passiert ist.« Tolpan hüpfte um die
matschigen Schlaglöcher neben dem Karren herum. Nachdem
er seine Hosen hochgekrempelt hatte, kauerte er sich hin und
spähte unter den Wagen.
»Der sieht wirklich festgefahren aus. Aber ich hab mal
erlebt, wie Käferfresser Warzenschläger
– das war ein
Halboger aus Kenderheim – ganz allein so einen Wagen aus
dem Schlamm gehievt hat. Leider ist dabei die Achse
gebrochen, aber er hat es schon richtig angepackt. Was soll’s,
er hat ihn einfach umgedreht, und Willie Wontori – das war der
Wagenmacher von Kenderheim – hat sie repariert, da war sie
wieder so gut wie neu.«
»Wer, zum Kuckuck, bist du überhaupt?« fragte der Mann,
als der Kender endlich eine Pause machte.
Der Kender richtete sich stolz zu seinen vollen vier Fuß auf
und streckte seine zartknochige Hand aus. »Tolpan Barfuß,
stets zu Diensten. Und wer bist du?«
»Ich könnte die Stimme der Sonne sein«, seufzte der Mann,
der immer noch am Baum lehnte, »aber da rechne mal nicht
mit.«
»Oh, keine Sorge«, sagte Tolpan, wobei er ungerührt die
ausgeschlagene Hand in die Hosentasche steckte. »Das ist ein
Elf, und du bist ein Mensch. Außerdem, warum sollte jemand
so Wichtiges wie der Herrscher der Qualinesti-Elfen persönlich
einen abgewrackten, alten Händlerkarren fahren? Dafür hat er
bestimmt Diener.«
Das pergamentfarbene Gesicht des Mannes verzog sich zu
einem Stirnrunzeln. »Hat dich meine Frau hinter mir
hergeschickt, oder sind
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