Drachenlanze - Finstere Pläne
verschwand dann im Tunnel, als das Schattenwesen seiner
Beute nachjagte.
Tolpan riß die Tür am Ende des aufsteigenden Gangs auf,
und er und Selana stürzten in den geschützten Eingang, wo sie
in die helle Sonne blinzelten.
»Wo können wir uns verstecken?« rief Selana, die sich Staub
und Schmutz vom Gesicht wischte.
»Nirgends«, antwortete Tolpan, »jedenfalls jetzt noch nicht.
Dieser Zauberer ist bestimmt hinter uns her. Wir müssen weit
weg sein, bevor wir uns ausruhen können. Schnell weiter.«
Er versuchte, Selana wieder auf die Beine zu zerren, doch
die junge Elfin wehrte sich. »Wohin?«
»Zum Marktplatz. Auf einem Marktplatz häng’ ich jeden ab,
besonders, wenn etwas los ist.« Er zog Selana auf die Beine,
und schon rannten beide zum Markt.
Da hörten sie es hinter sich krachen. Als sie sich
umschauten, sahen sie, daß die Tür, aus der sie gerade
herausgekommen waren, aus den Angeln gerissen war und
über die Erde schlidderte. Riesige Klauen hatten sie zerfetzt,
und die Monsterhände zerbrachen jetzt die dicken Holzbretter
und schlitzten sogar ein verstärkendes Eisenband auf. Dann
brach es aus dem Schatten, ein gewaltiges, magisches
Phantom, das in großen Sätzen auf sie zusprang. »Was ist
das?«
»Ein Problem!« schrie Tolpan, während er die vor Angst
erstarrte Meerelfin voranstieß. Mit dem Mut der Verzweiflung
rannten Kender und Prinzessin über den offenen Platz in den
überfüllten Basar. Als Tolpan einen Blick nach hinten wagte,
sah er die schwarze Gestalt unaufhaltsam näherkommen, wobei
sie eine wehende Staubfahne hinter sich her zog.
Sie rannten um eine Ecke und stießen gegen einen
Bauernkarren, der mit Frühlingszwiebeln und Knoblauch
beladen war. Tolpan ging auf die Knie und kroch darunter;
Selana folgte seinem Beispiel.
Keuchend fragte Selana: »Was ist das? Hat sich der Zauberer
in dieses Wesen verwandelt?«
»Ganz bestimmt nicht. Ich vermute, daß er irgendein
magisches Monster beschworen hat, so was wie einen
unsichtbaren Pirscher, nur den hier kann man als Schatten
sehen. Die Zauberer holen sie von anderen Ebenen, damit sie
ihnen dienen. Es sind grauenvolle Biester, die aber ein kurzes
Leben haben. Wir müssen einfach in Bewegung bleiben.«
Tolpan suchte die engen Gassen ab und wählte rasch den
besten Fluchtweg aus. Sobald Selana wieder stand, waren sie
auf und davon.
Hinter ihnen zerbarst der Wagen mit den Zwiebeln. Das
Untier war hineingeknallt und zerfetzte ihn, wobei es in der
ganzen Umgebung Zwiebeln und Knoblauch regnete. Das
Geschrei und Gebrüll der Händler vermischte sich mit dem
entsetzlichen Brüllen des Biests, das zwischen den Überresten
des Wagens kurz innehielt, um die Leute, die im Weg standen,
zu verjagen.
Die Flüchtlinge verschwendeten keine Zeit. In einem
schwindelerregenden Zickzackkurs rannten sie durch den
Basar, mal rechts, dann links, dann wieder links, bis Selana
jede Vorstellung davon verloren hatte, in welche Richtung sie
rannten. Vor lauter Herzklopfen konnte sie kaum noch Tolpans
Anweisungen verstehen, während er ihnen den Weg kreuz und
quer durch die Gassen suchte.
Selana japste nach Luft und ihr wurde vor Seitenstechen fast
schwindelig, da endlich blieb Tolpan in einer engen Gasse
stehen. »Ich glaube, wir haben das Schattenmonster
abgehängt«, keuchte er, während er sich mit den Händen auf
den Knien abstützte, »vorläufig…«
Selanas Brust keuchte nur, sie konnte noch nicht wieder
sprechen. Sie sah Tolpan an und brachte schließlich heraus:
»Du glaubst nicht, daß es schon aus ist mit ihm?«
»Nein, wir sind noch nicht einmal halb so lange gerannt, wie
es sich anfühlt. Ich vermute, es ist immer noch irgendwo in der
Gegend.«
»Was kann ein Schatten uns antun?« fragte sie.
»Du bist eine Zauberin und fragst solche Sachen?« Er
schüttelte den Kopf. »Ich habe vor allem Respekt, was von
anderen Ebenen herbeigerufen wird.«
Stöhnend wollte Selana gerade zu Boden sinken, als Tolpan
sie am Arm packte. »Riechst du das?« Er blickte sie
durchdringend an. »Knoblauch und Zwiebeln…«
Nachdem sie einander entsetzt angestarrt hatten, sahen sie
sich beide um. Plötzlich spähte ein dunkler, verschwommener
Kopf um die Ecke. Eine geisterhafte Pranke schlug zu, und
Selana schrie auf. Wieder ging es weiter. Tolpan hielt Selana
am Ärmel fest, während das Untier ihnen nachjagte.
Tolpan machte eine Kurve nach der anderen, bis er sich
umschaute. Da entdeckte er – das Schattenmonster, aber keine
Selana! Er hielt immer noch einen
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