Drachenlanze - Finstere Pläne
seine
Schneide in seine Handfläche. So verharrte er mehrere
Augenblicke, um die Vorfreude auf das nun Folgende zu
genießen. Parallel zu der glänzenden Klinge verlief ein zartes
Gitter haarfeiner Narben. Mit einem irren Ausdruck in den
Augen drückte er die Klinge gerade so weit in seine Hand, daß
in seiner Handfläche eine leichte Kerbe zu sehen war. Dann
zog er das Messer mit gepreßtem Lächeln langsam heraus. Ein
dünner Blutstrahl drang unter dem Messer hervor, lief warm
über seine gekrümmte Handfläche und tropfte in die Schale auf
dem Boden. Der Blutstrahl pulsierte mit seinem Herzschlag,
und sein Kopf nickte zu dem beruhigenden Rhythmus. Bald
liefen dünne Blutstreifen kreuz und quer über seine Hand, denn
sie folgten dem zarten Netzwerk der eingeritzten Linien. Ein
paar Augenblicke später war seine Handfläche bereits
blutüberströmt und wurde klebrig, weil die rote Flüssigkeit zu
gerinnen begann.
Die Entdeckung, daß der Anblick seines eigenen Blutes ihn
beruhigte und das Gefühl eigener Schmerzen ihn erregte, hatte
er in einer schauerlichen Nacht vor zehn langen Jahren
gemacht. In jener feuchten, monderhellten Nacht hatte ein
gebrochener Jungzauberer am Rande des Abgrunds getaumelt,
nur um zuletzt doch noch dem Tod ein Schnippchen zu
schlagen, indem er einen Pakt mit dem Teufel schloß.
Seither hatte Balkom viel gelernt. Der einstige Adept hatte
sich eine Stellung als Hofzauberer bei einem entrechteten
Ritter von Solamnia gesichert, der mit seinem
Verfolgungswahn in einen vergessenen Winkel von Abanasinia
ausgewandert war.
Er konnte in aller Ruhe – sogar gegen Bezahlung – seine
magischen Fähigkeiten in luxuriöser Umgebung verfeinern,
ohne daß sich jemand einmischte oder unerwünscht seine
Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Und er konnte in aller Ruhe
die Flammen seines Hasses auf diejenigen nähren, die er für
sein Versagen bei der Prüfung im Turm verantwortlich machte:
die Versammlung der Zauberer, die ihm seine Aufgabe gestellt
hatte und die ihn nun für tot hielt.
Er konnte sich nicht entscheiden, welchen der drei Orden er
am meisten haßte. Das
Oberhaupt der Versammlung, ParSalian, war ein mächtiger Zauberer der Weißen Roben. Beim
einzigen Mal, als Balkom ihn getroffen hatte – von ihm hatte er
seinen ersten Auftrag als Lehrling erhalten
–, hatte der
mittelalte Erzmagier des Guten den Neuling auf Distanz
gehalten.
Balkom hielt es für wahrscheinlich, daß Par-Salian sich auch
die Prüfungsaufgabe ausgedacht hatte.
Erst kurz vor Balkoms Prüfung war Justarius zum Oberhaupt
der Roten Roben ernannt worden, jenem Orden, dem sich
Balkom hatte anschließen wollen. Jetzt fand Balkom die
Neutralität dieses Ordens nervtötend, besonders da sie Justarius
wahrscheinlich davon abgehalten hatte, während der Prüfung
zugunsten von Balkom einzutreten.
Damit blieb nur noch Ladonna. Die Zauberin mit dem
eisengrauen Haar war ebenfalls in mittlerem Alter und
Oberhaupt des Ordens der Schwarzen Roben. Über sie wußte
Balkom weniger als über die anderen, weil er während seiner
eigentlichen Ausbildung nie daran gedacht hatte, die Schwarze
Robe zu tragen. Wegen ihrer Neigung zum Bösen gab er ihr
eigentlich am wenigsten die Schuld.
Deshalb wollte er ihren Platz in der Versammlung.
Wie konnte er sich besser an Par-Salian und Justarius rächen
als dadurch, daß sie Balkom, der in ihrer unmöglichen Prüfung
versagt hatte, als Gleichrangigen akzeptieren mußten? Er
würde weit größere Macht erlangen, als er sich bei seiner
ersten Reise in den Wald von Wayreth je erträumt hatte.
Wenn nur Hiddukel seinen Teil des Handels einhielt.
Seit er die Abmachung getroffen hatte, hatte Balkom gelernt,
wie man verhandeln mußte. Zehn Jahre und zahllose Seelen
nachdem er in der Finsternis des Walds von Wayreth den Pakt
mit dem bösen Gott geschlossen hatte, hatte der Zauberer einen
Plan, der ihm helfen würde, sein Ziel zu erreichen und seinen
Vertrag mit Hiddukel ein für allemal zu erfüllen. Er würde dem
Gott der Abmachungen und Seelenmakler eine so unberührte,
kostbare Seele anbieten, daß der Gott freiwillig seinen
mündlichen Kontrakt mit Balkom auflösen würde, nur um sie
zu bekommen.
Aber Balkom wollte einen noch höheren Preis rausschlagen.
Hiddukel hatte ihm vor langer Zeit sowohl Macht als auch
Rache zugesagt. Das erste hatte sich erfüllt, denn Balkom war
der mächtigste Zauberer der Gegend. Jetzt würde er auch seine
Rache bekommen, wenn er Ladonnas Platz in der
Versammlung
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