Drachenlied
Streifzug.
Der Wasserlauf ergoss sich breit ins Meer. Den Sandbän- ken und Gräben nach zu schließen, änderte er von Zeit zu Zeit sein Bett. Menolly folgte ihm ein Stück landeinwärts. Sie hoffte, an seinen Ufern ein paar saftige Kressebüschel zu finden. Frische Kresse und Spinnenklauen - das Wasser lief ihr im Mund zusammen.
Sie fand die begehrten Kräuter ein gutes Stück stromaufwärts, wo mehrere kleine Rinnsale aus dem Marschland zusammentrafen. Gierig rupfte sie ein paar Händevoll aus und verschlang sie - doch dann richtete sie sich entsetzt auf. Am Horizont zuckten Blitze gegen eine graue Wand.
Fäden! Das Entsetzen ließ sie wie angewurzelt dastehen; um ein Haar hätte sie sich an der Kresse verschluckt. Sie atmete tief durch. Wenn die Drachenreiter bereits am Werk waren, dann kam die Sporenfront vielleicht nicht bis hierher.
Aber wie groß musste der Abstand zur Gefahr überhaupt sein? Sie hatte sich damals, beim ersten Fädeneinfall, gerade noch in Sicherheit gebracht. Heute dagegen - selbst wenn sie wie ein Pfeil dahinschnellte, schaffte sie es nicht mehr bis zur Klippe. Hinter ihr war das Meer, neben ihr floss der Bach. Wasser! Fäden ertranken im Wasser. Nur - wie tief mussten sie sinken, bis sie ihre Ätzwirkung verloren?
Nur jetzt nicht in Panik geraten!, sagte sie sich vor. Sie zwang sich, die Kresse zu kauen und ganz langsam zu schlucken. Aber dann gehorchten ihr die Beine nicht mehr. Sie
rannte los, in einer schrägen Linie zwischen dem Meer und der fernen Höhle.
Prinzesschen tauchte auf, angesteckt von ihrer Furcht. Gleich darauf kamen Rocky, Taucher und Spiegel. Aufgeregt umkreisten sie Menolly und stießen ihre hellen Kampfschreie aus. Dann verschwanden alle zugleich. Das erleichterte Menolly, denn nun konnte sie besser auf den Weg achten.
Sie überlegte kurz, ob es nicht besser sei, einfach entlang der Küstenlinie zu rennen. Dort war sie der zweifelhaften Sicherheit des Wassers näher. Sie übersprang einen Graben, stolperte, fing sich wieder und lief weiter. Nein, in Küstennähe gab es zu viele Felsen, die sie zu Umwegen zwangen und die Sturzgefahr erhöhten. Ein verstauchter Knöchel hätte ihr gerade noch gefehlt...
Zwei Königinnen schimmerten golden über ihr. Auch Rocky und Taucher kehrten zurück, gefolgt von Faulpelz, Spiegel und Brownie. Die beiden Königinnen schimpften ärgerlich, und die Männchen flogen ein Stück höher, wo sie Menolly nicht behinderten. Sie rannte und rannte.
Sie erreichte eine Anhöhe und musste ihre Schritte verlangsamen. Seitenstechen plagte sie, aber irgendwie stolperte sie weiter. Die Drachensteine vor ihr nahmen Gestalt an, aber sie hatte noch einen langen Weg vor sich. Ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass die Sporenfront immer näher rückte.
Sie begann wieder zu laufen. Die beiden Königinnen kreisten dicht über ihrem Kopf und seltsamerweise fühlte sie sich beschützt. Sie hatte jetzt wieder Luft und schnellte dahin. Wenn sie es nur schaffte, die Distanz zwischen sich und den Fäden zu halten... Sie richtete den Blick fest auf die Drachensteine. Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich umdrehte; die drohende Gefahr presste ihr den Atem ab, den sie so dringend zum Laufen brauchte.
Sie rannte jetzt ganz nahe an der Bruchkante der Küstenklippen. Sie war schon einmal in die Tiefe geschlittert, ohne sich den Hals zu brechen: sie würde es noch einmal riskieren, wenn das Wasser die letzte Rettung bedeutete.
Sie lief und ihre Aufmerksamkeit wanderte hin und her zwischen den Drachensteinen und dem Terrain.
Sie hörte das Sausen, das erregte Kreischen der Feuerechsen, sah den Schatten und warf sich zu Boden. Instinktiv presste sie beide Arme über den Kopf und wartete auf den sengenden Schmerz der Fäden. Dann roch sie Feuerstein und eine Sturmböe fegte über sie hinweg.
»Los, steh auf, du Dummkopf? Rasch! Die Fäden haben uns fast erreicht.«
Ungläubig schaute Menolly auf, direkt in die wirbelnden Augen eines braunen Drachen. Er hielt den Kopf schräg und summte erregt.
»Steig auf!«, befahl sein Reiter.
Nach einem Blick auf die Feuerblitze und die nahe Phalanx des Drachengeschwaders verschwendete Menolly keine Zeit mehr. Sie rappelte sich hoch, umklammerte die ausgestreckte Hand des Drachenreiters und wurde mit rauem Schwung auf den Nacken des großen Tieres gehoben.
»Halt dich an mir fest! Und hab keine Angst. Ich bringe dich nach Benden. Das Dazwischen ist kalt und schwarz, aber ich werde bei dir sein.«
Das Gefühl, in
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