Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
Kella, sich mit dem Frühstück zu beeilen; Diener und Dienerinnen eilten in Erfüllung verschiedenster Pflichten durch den Flur. Eine Dienerin schaute ins Vorzimmer, in dem Maurynna saß. Das Mädchen murmelte eine Entschuldigung und verschwand mit einem mißbilligenden Blick auf die noch brennende Öllampe.
Maurynna verstand den Wink. Es war Verschwendung, die Lampe länger brennen zu lassen, wo es jetzt hell war. Sie blies sie aus und wandte sich verdrossen wieder ihrer Arbeit zu. Es war etwas, das unbedingt erledigt werden mußte, redete sie sich ein.
In Wahrheit war sie lange vor Sonnenaufgang heruntergekommen, um mit ihrem Schmerz allein zu sein. Ihre Augen waren rotgerändert. Seit sie aufgestanden war, hatte sie fast ununterbrochen geweint, bekümmert und zugleich wütend auf sich selbst.
Vergiß ihn einfach, sagte ihr ihre Vernunft immer wieder.
Aber ganz gleich, was sie sich einzureden versuchte, in Gedanken sah sie immer wieder Lindens Gesicht.
Er ist all das nicht wert, selbst wenn er einer wirklichen Legende entstammt. Vergiß ihn.
»Ich kann ihn nicht vergessen«, flüsterte sie, sich ihre Niederlage eingestehend. Zumindest, dachte sie, wird es lange, lange dauern. »Zum Henker mit dir, Linden Rathan.«
Hufklappern im Hof riß sie aus den Gedanken. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Das letzte Mal, als sie dieses Geräusch gehört hatte, hätte sie beinahe ein Auge verloren.
Und Maurynna wußte, daß Linden ihr dieses Mal nicht zu Hilfe kommen wurde.
Mit zitternden Beinen ging sie zur Eingangstür, dann verweigerten ihre Beine den Dienst. Sie konnte nicht nach draußen gehen. Sie lehnte am Türrahmen und lauschte, während immer neue Reiter auf den Hof ritten.
Tante Elenna schob sich hocherhobenen Hauptes an ihr vorbei, gefolgt von Maylin und mehreren Lehrlingen. Sie öffnete die Tür und baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen im Eingang auf.
»Lady Sherrine«, rief sie, und Maurynna ballte vor Furcht und Zorn die Fäuste. Wie konnte das adlige Miststück es wagen, hier aufzukreuzen und sie und ihre Angehörigen von neuem zu belästigen und zu bedrohen? Sicherlich hatte Linden ihr das untersagt – oder war es ihm egal?
Elenna sprach weiter, ihre Stimme war kälter, als Maurynna es je bei ihr gehört hatte. »Was soll dieser Besuch bedeuten?«
»Ist Kapitän Erdon zu Hause? Ich würde gerne mit ihr reden«, sagte eine tiefe, rauchige Stimme, die ihr nur allzu vertraut war.
Maurynnas Hand umschloß den Griff des Dolchs an ihrem Gürtel. Dieses Mal würde sie sich der schönen Lady Sherrine nicht kampflos ergeben, schwor sie sich. Maylin drängte sich an den im Eingang stehenden Lehrlingen vorbei und kam zu ihr ins Haus.
»Rynna, es ist nicht so, wie du denkst. Sie hat Packpferde dabei, und an ihren Zügeln hängen blaue Bänder«, sagte Maylin und packte mit überraschender Kraft Maurynnas Hand, die noch immer den Dolchgriff umschloß.
Es dauerte einen Moment, bis sie dies verarbeitet hatte. Erstaunen verdrängte alle anderen Gefühlsregungen. »Was? Was soll das bedeuten?« Ihre Hand ließ den Dolch los.
Maylins Blick begegnete ihrem. »Entschädigung. Ich wette, daß Lady Sherrine dir eine Entschädigung bringen will.«
»Mir? Eine Entschädigung? Hier in Cassori?«
Zu Hause in Thalnia, ja. Der dortigen Rechtsprechung zufolge würde ihr in jedem Falle eine Entschädigung zustehen. Aber hier in Cassori?
Sie wollte nichts von Lady Sherrine – außer in Ruhe gelassen werden. Oder glaubte die Lady etwa, daß sie, Maurynna, Linden beim Anblick von ein paar nett eingepackten Präsenten vergessen würde? Zur Hölle mit Lady Sherrine.
Trotzdem … Beinahe wünschte ich mir, daß es so wäre. Es wäre leichter, als sich so sehr nach ihm zu verzehren.
Oder hatte Linden dies befohlen? Der Gedanke versetzte Maurynna in rasende Wut, riß sie mit der Wucht eines wild im Wind wehenden Leesegels aus ihrer Lähmung. Sie ging zur Tür. Tante Elenna drehte sich zu ihr um und überließ ihr nach einem kurzen Blick das Schlachtfeld.
»Hol den Barden, schnell!« hörte sie ihre Tante zu einem der Diener sagen.
Maurynna trat ins heiße, gleißende Sonnenlicht hinaus und stand stolz wie der Großmast der Seenebel auf der obersten Stufe der Vortreppe, die Hände in die Seiten gestemmt. Ohne zu blinzeln, traf sie Lady Sherrines Blick.
Als wäre Maurynnas Erscheinen ein Signal, legte Lady Sherrine eine Hand in die eines Soldaten, der neben ihrem Pferd stand, und stieg ab. Maurynna glaubte,
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