Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
waren. Die Drachen landeten ein gutes Stück von der Menschenmenge entfernt im Gras.
Sie ließen ihre Gepäckbündel fallen, die sie zwischen den Vorderbeinen getragen hatten, und falteten ihre Flügel. Dann traten sie mehrere Dutzend Schritte auseinander, ein wenig ungelenk durchs Gras staksend. Ihre Klauen pflügten durch das Grün. Der gelbe Drache hinkte; sein rechtes Hinterbein war etwas kürzer als das linke.
Und noch immer nahte am Himmel kein weiterer Drache, um sich seinen Gefährten anzuschließen.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Kas Althume. Tief im Innern verspürte er eine verstörende Beunruhigung. Die Drachenlords hatten ihn eines Besseren belehrt. Und er war an den Rand des überdachten Geländes geeilt, als würde er zur gewöhnlichen Herde der Narren gehören. Daß Peridaen und Anstella dasselbe getan hatten, war nur ein kleiner Trost. »Wo ist der vierte? Es sollte wenigstens noch einer mehr da sein.«
Auf dem Feld war jeder Drache plötzlich in roten Nebel gehüllt, was den Schaulustigen weitere Rufe und Schreie entlockte. Kurz darauf standen an derselben Stelle drei menschliche Gestalten. Einer überragte die beiden anderen um mehrere Haupteslängen. Auf dem Rücken des Mannes, der sich nun zu den anderen gesellte, sah Kas Althume den langen Clan-Zopf der Yerrin.
Kas Althume glaubte, eine Antwort zu ahnen. »Peridaen, ich muß sehen, wer die Drachenlords sind. Falls der dritte der ist, der ich glaube …«
Peridaen nickte überrascht. »Da ich einer der Thronanwärter bin, muß ich unsere … hochverehrten Gäste wohl begrüßen …« er spie die Worte aus »… und mich anständig benehmen. Niemand wird es seltsam finden, wenn Ihr mitkommt. Aber was, wenn …«
»Wenn ich recht habe, haben uns die Stümper einen großen Gefallen getan.« Kas Althume erinnerte sich wieder an Peridaens Zweifel. Wir werden ja sehen, ob ein Drachenlord meinem Zauber gewachsen ist! »Und seid liebenswürdig«, fuhr Kas Althume fort. »Aber keine Sorge, Ihr werdet Euch nicht lange verstellen müssen.« Er schüttelte den Kopf in gespieltem Bedauern. »Ganz und gar nicht.«
5. KAPITEL
Sherrine eilte in ihr Schlafgemach, überrascht von dem Halbdunkel, das ihr dort begegnete. Ihr Kleid klebte feucht an ihrem Körper. Sie war verschwitzt, hatte Kopfschmerzen und wollte nichts sehnlicher als ein kühles Bad.
»Tandavi«, rief sie.
Keine Antwort.
Sherrine runzelte die Stirn, ein überhebliches, leichtes Stirnrunzeln, das sie viele Male vor dem Spiegel geübt hatte. Wo steckte das dumme Zimmermädchen nur? Nichts war aufgeräumt, sogar die schweren Brokatvorhänge waren noch zugezogen.
Wütend betrachtete sie das ungemachte Bett und die Kleider, die sie anprobiert hatte und die noch immer herumlagen, achtlos über die Stuhllehnen geworfen. Das dunkelgrüne Seidenkleid, eines ihrer Lieblingskleider, lag zerknüllt auf dem Fliesenboden. Sherrine hob es auf und warf es auf einen Stuhl.
Dumme Kuh. Wie kann sie es wagen zu gehen, ohne – oh, ich weiß. Ich hatte ihr erlaubt, auf die Wiese zu gehen; das dumme Ding war so aufgeregt wegen der Drachenlords.
Sherrine rümpfte die Nase, froh darüber, über derlei Torheiten zu stehen. Nachdem gestern ein Kundschafter mit der Nachricht zurückgekehrt war, daß die Drachenlords ihre Reise ein Stück nördlich von Casna unterbrochen hatten und heute in der Stadt eintreffen würden, hatten alle nur noch ein Thema gekannt: Drachenlords, Drachenlords, Drachenlords. Tandavi war genauso schlimm wie all die Narren am Hof.
Mürrisch zog sich Sherrine das hellblaue Leinenkleid über den Kopf und ließ es zu Boden fallen. Sollte Tandavi es aufheben. Nur im Unterrock setzte sie sich aufs Bett und schlüpfte aus ihren Satinschuhen.
Das aufgeregte Gerede, als all die einfältigen jungen Dinger den Mann erblickt hatten, in den sich der rote Drache verwandelt hatte! Zweifellos würde auch Tandavi bei ihrer Rückkehr nur von Linden Rathan reden.
In ihrem Hinterkopf merkte eine leise Stimme an: Aber du mußt zugeben, daß er ziemlich gut aussieht.
Sie dachte über ihn nach, während sie die kunstvoll verzierte Holzschatulle auf dem Nachttisch aufklappte, den Lavendelbeutel herausnahm und ihn sich unter die Nase hielt. Sie schloß die Augen und inhalierte den Duft, der sogleich ihre Kopfschmerzen linderte.
Schade, daß er ein Drachenlord war. Nicht daß sie das gestört hätte – ganz im Gegenteil; Sherrine teilte nicht den Fanatismus ihrer Mutter für die Bruderschaft.
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