Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
waren bis zu den Knien mit getrocknetem Schlamm bedeckt.
Einer der Soldaten hielt ein Fangseil in den Händen und versuchte vergebens, den großen Hengst dazu zu bringen, den Kopf zu senken, um ihm die Schlaufe überzuwerfen. Der Mann streckte eine Hand aus, als hielte er eine Karotte oder einen Apfel, und gab unterdessen die Zischlaute von sich, die, wie Maurynna wußte, Stallburschen bei der Arbeit ausstießen.
»So werdet ihr ihn nie einfangen«, rief Otter. Keuchend blieb er vor den Soldaten stehen. Er beugte den Oberkörper vor, die Hände auf den Knien, und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Maurynna erreichte ihn, auch sie nach Luft schnappend.
»Gehört das verfluchte Pferd Euch?« wollte der Hauptmann der Stadtwache von dem Barden wissen.
Otter schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich kenne es«, brachte er atemlos hervor und richtete sich auf. »Götter, ich bin zu alt, um so durch die Gegend zu rennen! Legt um Himmels willen das Seil weg. Ich sage Euch, so funktioniert es nicht.« Erwischte sich den Schweiß von der Stirn.
Der Besitzer der Stute schob sich zu Otter durch. An den zerrissenen, verschmutzten Überresten seiner edlen Kleider sah man, daß er ein Adliger war. Der Besitzer des Hengstes tat ihr leid. Der Adlige sah aus wie jemand, der einem auch nur die geringste Verletzung seiner Würde todübel nahm.
Der Mann baute sich in voller Größe vor Otter auf er reichte dem Barden gerade an die Schulter – und schrie: »Wem gehört dieser flohverseuchte Klepper dann? Raus damit, oder ich lasse dich auspeitschen!«
Maurynna ballte die Fäuste. Am liebsten hätte sie dem Mann ins Gesicht geschlagen, ganz gleich, ob Adliger oder nicht. Wie konnte er es wagen, einem Barden zu drohen – und dann auch noch ihrem Freund Otter!
Das wütende Wiehern des Hengstes trommelte gegen ihrer aller Ohren. Er stand nun mit gefletschten Zähnen da, ein Auge auf den Adligen fixiert, und der Ausdruck in diesem Auge verhieß nichts Gutes. Dann sank er auf seine Hinterbeine und hob die Vorderhufe ungefähr eine Handbreit über den Boden. Er sah aus wie eine aus Onyx gemeißelte Statue; formvollendet – und tödlich.
Atemloses Schweigen befiel die umstehenden Zuschauer. Selbst die Stute wurde still.
Maurynnas Mund wurde trocken. Sie kannte sich mit Pferden zwar kaum aus, glaubte aber zu wissen, was die Stellung bedeutete. Der Hengst würde jeden Moment vorschnellen und angreifen. Mit einem Tritt seiner Hufe konnte er einen Menschenkopf zermalmen wie eine Walnuß. Und sie glaubte zu wissen, wer das Opfer sein würde.
Die Soldaten strömten auseinander wie fortgewehtes Laub. Der Adlige eilte auf wackligen Beinen zu seiner Stute.
Nur Otter blieb stehen. Er sagte: »Das glaube ich kaum, Eure Lordschaft.« Dann sprach er zu dem Hengst: »Ganz ruhig, Shan. Er wird mich nicht auspeitschen lassen – ich verspreche es dir.«
Zu Maurynnas Erstaunen erhob sich der Hengst und stand nun wieder mit allen vier Hufen auf dem Kopfsteinpflaster. Er schnaubte.
»Menschenskind!« hörte sie jemanden flüstern. »Man könnte meinen, das Tier hätte ihn verstanden.«
»Hat es auch«, sagte Otter. »Versucht nicht noch mal, es anzufangen. Es bleibt dort stehen, bis ich ihm etwas anderes sage. Und Ihr«, sagte Otter mit Blick auf den Adligen, »Ihr würdet sogar einen Barden auspeitschen lassen, was?« Er zog den Kragen seiner Tunika zur Seite und zeigte seine Bardenkette.
»Wahrscheinlich gestohlen, die Kette! Du bist kein …«, rief der Mann.
»Ah, Lord Duriac«, unterbrach ihn der Hauptmann.
Unfähig, sich länger rauszuhalten, sagte Maurynna: »Er ist ein Barde – und ebenso ein Freund von Linden Rathan!« So. Das sollte der adlige Fettsack erst mal verdauen. Es kümmerte sie nicht länger, ob sie den Zom der cassorischen Adelsgesellschaft auf sich zog oder nicht.
Lord Duriac wäre beinahe erstickt. Der Hauptmann und seine Untergebenen traten geschlossen von ihm zurück, als wollten sie nichts zu tun haben mit jemandem, der dumm genug war, den Freund eines Drachenlords zu bedrohen.
Der Barde sagte: »Das ist Shan, Linden Rathans llysanyanischer Hengst. Wie er von Drachenhort hierher gelangt ist, weiß ich nicht. Wißt Ihr, was llysanyanisch bedeutet, mein Lord?«
Otters Stimme stieg und fiel, als würde er im Saal des Yerrin-Hohepriesters eine uralte Weise vortragen. »Mehr Kraft und Schnelligkeit, als Ihr Euch in Euren kühnsten Träumen vorstellen könnt, denn Llysanyaner sind Geschöpfe des Westwindes aus dem Land
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