Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
eigentlich?« Alle waren so auf das kleine schwarze Tonfläschchen fixiert, daß niemand die langen, messerscharfen Fänge über ihren Köpfen beachtete.
»Quirel sagt, dies sei eine der beiden Flaschen, in die er jeden Morgen Prinz Ranns Medizin füllt«, erklärte Tasha.
Sie hielt das Fläschchen hoch, so daß es jeder sehen konnte. »Aber hier drin ist nicht Ranns Medizin. Keiner von uns hat diese Arznei hergestellt, und wir können nicht bestimmen, woraus sie besteht. Und das macht mir angst. Wer hat sie hergestellt? Warum? Was soll sie bewirken?«
Als spräche er mehr zu sich selbst, sagte Quirel leise: »Ich gebe Gevianna jeden Morgen diese Flasche. Sie verabreicht Rann die Medizin, sobald er wach ist, und später am selben Tag bekomme ich die Flasche zurück.« Er machte eine Pause und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sie ist immer ausgewaschen, wenn ich sie zurückbekomme. Soweit ich mich erinnere, war sie es nur einmal nicht, und zwar an dem Tag, als Ihr mit Prinz Rann zum Picknick rausgefahren seid, Heilerin.«
»Kein Wunder, daß Gevianna vor Angst krank wurde«, sagte Tasha grimmig, »falls sie tatsächlich diejenige ist, die die Arzneien ausgetauscht hat. Und ich dachte, sie hätte bloß Angst vor tiefem Wasser.«
Ein Raunen ging durch die Menge.
»Wer immer es war«, sagte Linden, »Gifhu soll sie in den finstersten Höllen verrotten lassen. Sie vergiften ein Kind.« Er kämpfte gegen die aufsteigende Wut an. Ein Kind anzugreifen … »Ich stelle den Jungen unter DrachenlordSchutz – unter meinen Schutz. Hauptmann Tev – geht und bringt Rann her.«
»Und bringt auch diese Gevianna«, sagte Kief laut, so daß alle ihn hören konnten.
Hauptmann Tev salutierte eifrig. »Drachenlords!« Er und einige seiner Männer eilten los. Prinz Peridaen ging mit ihnen.
Die Zurückgebliebenen warteten. Und warteten. Nach einer Weile tauschten die Adligen fragende Blicke, dann besorgte und begannen schließlich zu tuscheln. Selbst Tarina erhob sich weit genug, um zu sehen, daß etwas nicht stimmte.
»Es dauert viel zu lange«, sagte sie mit schwacher Stimme.
»Ihr habt recht«, sagte Linden. »Ranns Gemächer sind ganz in der Nähe.« Er beschloß, ihnen noch etwas Zeit zu geben.
Diese Zeit – und mehr – verstrich. Gerade als Linden sich selbst auf die Suche nach Rann machen wollte, kehrten Hauptmann Tev und seine Männer zurück.
Ohne Rann.
Otter saß in seiner kleinen Schlafkammer und zupfte auf seiner Harfe herum. Ihm war die Idee für eine Melodie gekommen, aber bis auf wenige Töne hatte sich das Lied nicht offenbart.
Das Klopfen an der Tür war eine willkommene Ablenkung. »Komm rein.« Gavren spähte hinter der Tür hervor. »Barde, hier ist jemand, der Euch sprechen möchte. Er ist ein, ahm, ein …«
Neugierig geworden, fragte Otter. »Wie heißt er?«
»Eel, Sir. Er wollte Maurynna sprechen, und als ich ihm sagte, daß sie in See gestochen sei, fragte er nach Euch.«
Nun war Otter beunruhigt. Was wollte der kleine cassorische Taschendieb von ihm? »Schick ihn rauf.«
Wenig später hörte Otter schnelle, leichtfüßige Schritte auf der Treppe, gefolgt von den schweren, langsameren Schritten des Lehrlings. Gavren sagte: »Dort hinein«, und der Dieb schlüpfte in den Raum.
Eel zog die Kappe vom Kopf und drehte sie in den Händen, dann platzte aus ihm heraus: »Es gefallt mir nicht, Barde! Ich sag Euch, es gefallt mir nicht! Irgendwas is’ am Dampfen, und wenn es was Gutes is’ für Euer’n Freund, den Drachenlord, dann bin ich Hauptmann der verfluchten Stadtwache.«
Erschrocken sagte Otter: »Was sagst du da? Setz dich, Eel, und erzähl mir alles.«
Leise schloß Maylin die Tür zu ihrer Schlafkammer. Nur mit einem Unterrock bekleidet, lehnte sie sich mit dem Rücken an die Tür und überdachte, was sie soeben mitgehört hatte. Dann ging sie durch den Raum, kroch unter ihr Bett und suchte das alte Schwert ihres Vaters. Sie zog es aus dem Versteck und legte es neben das Kleid, das sie heute abend beim Gildefest tragen wollte. Verdrossen strich Maylin über die Seide. Schade, aber sie hatte sich entschieden. Sie zog den Unterrock aus. Als sie fertig war, ging sie den Flur hinunter.
»Wo ist der Junge?« wollte Linden wissen.
Der Hauptmann schaute beklommen. »Euer Gnaden – wir konnten Prinz Rann weder in seinen Gemächern noch sonst irgendwo im Palast finden. Auch seine Pflegerin nicht. Es ist, als wären sie … verschwunden.«
Aufgebracht bellte Kief: »Findet den
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