Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
gesehen.«
»Er wird ziemlich enttäuscht sein, daß er sie verpaßt hat. Und ich hoffe, daß Rynna bald eintrifft; sie würde die Drachenlords so gerne sehen. Aber der Kapitän des anderen Erdon-Schiffes, das vor einigen Wochen hier war, konnte uns nur sagen, daß sie irgendwann zur Sonnenwende hier einlaufen würde, ich weiß also nichts Genaues.«
Kella fragte: »Werden wir mit ihr herkommen, damit sie Linden Rathan auch zuwinken kann?«
»Auf jeden Fall, Kichererbse, wenn er noch hier ist. Da sind wir – Mutter wird es kaum glauben!«
»Ich fürchte«, sagte Kief, als er durch die einen Spalt geöffnete Tür in den Sitzungssaal spähte, »daß dies kein gutes Omen ist. Der Ratsvorsitzende … Wie heißt er noch gleich?«
»Wassilor«, half Tarina ihm. »Großkanzler Wassilor. Welch unglückliche Fügung.«
»… redet noch langatmiger als die anderen«, vollendete Kief den Satz. »Den Ratsmitgliedern fallen gleich die Augen zu.«
»Oh, verflucht«, sagte Tarina. »So habe ich mir das nicht vorgestellt.« Ihr mürrischer Blick glitt über die Wände des Vorzimmers, als würde sie sich fragen, wie lange sie das alles noch würde ertragen müssen.
Linden tänzelte von einem Fuß auf den anderen. Es war tatsächlich kaum auszuhärten. Zuerst mußten sie in diesem muffigen kleinen Raum herumstehen, während irgendwelche aufgeblasenen Wichtigtuer irgendeinen Unsinn daherfaselten, dann würde der Herold sie namentlich ankündigen und einen nach dem anderen dem Rat vorstellen.
Welch eine Idiotie. Sie hatten diese Adligen alle schon am Vorabend kennengelernt. Aber nun mußte alles genau nach Protokoll ablaufen.
Zum Henker mit dem Protokoll. Er wollte endlich anfangen.
Er schob die Ärmel hoch. Verdammte Dinger, immer waren sie im Weg. Er wünschte, sie müßten die Roben nicht zu den Sitzungen tragen. Schon letzten Abend beim Festball hatte er von ihnen genug gehabt. Die ganze Zeit über hatte er nur darauf gewartet, einen Ärmel in die Bratensauce zu tunken. Meistens passierte es; manchmal glaubte er, sie hätten einen eigenen Willen.
Und die knallengen Kniehosen zwickten.
Er sehnte sich nach seiner flauschigen weiten Yerrin-Hose und seinen bequemen Stiefeln, die im Stadthaus auf ihn warteten. Und nach einer Tunika mit vernünftigen Ärmeln.
Dennoch, die schwarzrotsilbernen Amtsgewänder waren beeindruckend – und notwendig. Sie würden die Ratsmitglieder daran erinnern, daß vor ihnen Drachenlords zu Gericht saßen seit alters die Gesetzesbringer. Ohne diese Erinnerung könnten einige Mitglieder des Rates nur allzu leicht vergessen, daß die drei anwesenden Richter nicht bloß zwei oder drei Jahrzehnte, sondern viele Jahrhunderte alt waren.
Er rückte seinen mit zwei RubinDrachenköpfen besetzten formellen Halsreif zurecht. Sein Clanzopf verfing sich in den Plättchen des breiten Silbergürtels. Er zerrte den Zopf heraus.
Verdammte Maskerade.
Tarina fauchte: »Ich hoffe, Ihr seid dort draußen würdevoller. Ihr zappelt herum wie ein Kind!«
Sie kam auf ihn zu und fuhr fort, ihn zu beschimpfen. Linden versank in Erinnerungen an den letzten Abend, so daß Tarinas Wortschwall ungehört über ihn hinwegplärrte. Im Laufe der Jahrhunderte war er darin Experte geworden. Er fragte sich, wann er Sherrine wiedersehen würde. Die Erinnerung an ihr Parfüm und an ihre blitzenden Augen neckte ihn von neuem. Währenddessen ließ Tarina ihrer Unbill freien Lauf.
Im Sitzungssaal ertönte die Stimme des Herolds. »Verehrte Ratsmitglieder – Seine Gnaden, Drachenlord Kief Shaeldar!«
Kief öffnete die Tür und ging hinein.
Der Ausruf des Herolds »Ihre Gnaden, Drachenlord Tarina Aurianne!« beendete Tarinas Schimpftirade. Sie humpelte los.
Linden seufzte erleichtert. Dann rief der Herold seinen Namen aus, und nun war er an der Reihe, vor den Cassorischen Rat zu treten.
Zum ersten Mal sah er den Saal, in dem er in den kommenden Wochen wahrscheinlich einen Großteil seiner Zeit verbringen würde. Er war länger als breit; an der linken Wand reichten Fenster vom Boden bis zur Decke. Die Sonne schien herein und warf einen seidigen Glanz über die blankpolierten schwarzweißen Bodenfliesen.
Am anderen Ende des Saales stand ein gewaltiger schwarzer Marmorkamin. Er fragte sich, ob sie darin jemals einen Ochsen geröstet hatten. Die übrigen Wände waren mit dem dunklen Tafelholz verkleidet, das er bisher in jedem cassorischen Raum gesehen hatte. Er fragte sich, ob dies ein Gesetz vorschrieb.
Die Absätze seiner
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