Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
fort: »Ich bin ganz sicher. Es hat sich genau so angefühlt: als müsse es so sein.« Er schloß die Augen. Ein beinahe schmerzhaftes Begehren stieg in ihm auf.
Eine Hand packte seine Schulter. Er öffnete die Augen und sah Kief vor sich knien. Das Gesicht des älteren Drachenlords war voller Sorge.
»Linden, hört mir zu. Es tut mir leid, es tut mir aufrichtig leid, aber wer immer es ist, sie kann es nicht sein. Die Echtdrachen haben nichts von einem neuen Drachenlord erwähnt. Und sie sind die ersten, die das Verschmelzen der Seelen spüren. Es sei denn – o Götter, bitte nicht.« Kiefs Stimme zitterte. »Es sei denn, es ist wie bei …«
Linden wußte, woran Kief dachte; seine betroffene Miene verriet ihn. Ein eisiges Frösteln kroch Linden über den Rücken, und sein Magen zog sich zusammen. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. »Ihr meint, wie bei Sahleen? Der Drachenlord, der einen Echtmenschen als Seelengefährtin nahm?«
Ihm fiel die Geschichte ein – und ihr tragisches Ende. Im Geiste sah er den armen Sanken an einem Ast baumeln.
Ohne zu merken, daß er mit seiner Stimme sprach, flüsterte er: »Welchen Sinn hat das Leben, wenn die Seelengefährtin gegangen ist? Warum müssen Echtmenschen nur so früh sterben?« Trotz der abendlichen Wärme war ihm plötzlich eiskalt.
»Hat sie ein Kennmal?« fragte Tarina.
Er griff nach ihren Worten wie ein Ertrinkender nach einem Seil. »Ja! Ihre Augen. Sie haben zwei unterschiedliche Farben: Eins ist blau, das andere grün. Sie sagt zwar, dies werde in ihrer Familie vererbt, aber das heißt nicht, daß es nicht trotzdem ihr Kennmal sein kann. Ich bin nicht die einzige Person – ob Echtmensch oder Drachenlord – mit einem Muttermal wie diesem.« Er faßte sich an die Schläfe. »Selbst Sherrine hat ein ähnliches auf dem Rücken. Und habt Ihr mir nicht mal erzählt, daß alle Mitglieder Eurer Familie Hände mit sechs Fingern haben, Kief?«
»Ahm, ja«, sagte Kief, der noch am Boden kniete. »Aber die Echtdrachen …«
Tarina explodierte. »O Kief! Vergiß die Echtdrachen! Irgendwie haben sie ihre Geburt nicht gespürt.«
Sie sprang auf und beugte sich über ihren Seelengefährten. »Verstehst du nicht, was passiert ist? Zum ersten Mal haben sich zwei Seelengefährten getroffen, bevor beide zum Drachenlord geworden sind.«
Kief kippte um und landete auf dem Hosenboden. Er starrte zu Tarina hoch. »Die Götter mögen uns beistehen, Liebste – du könntest recht haben.«
»Natürlich habe ich recht«, sagte Tarina. »Und klapp deinen Mund zu, du siehst aus wie ein Fisch. Wir sollten uns lieber darüber Gedanken machen, was wir in der Angelegenheit tun wollen?«
Verwirrt fragte Linden: »Was meint Ihr? Sie ist meine Seelengefährtin. Ich werde es ihr sagen, ihr den Hof machen und …«
»Nein!« sagte Kief. »Genau das dürft Ihr nicht tun – nicht bevor wir mehr über sie wissen.« Er stand auf und klopfte den Staub von seinen Kleidern.
Finstere Wut stieg in Linden auf, eine so überschäumende Wut, daß es ihm angst machte. Bevor er wußte, was er tat, sprang er Kief an, seine Hände nach dem Hals des älteren Drachenlords ausgestreckt. Im letzten Moment merkte er, was mit ihm geschah.
Er hing in den Klauen von Rathans drakonischer Wut. Am ganzen Leib zitternd, bekam er sich allmählich wieder unter Kontrolle und zwang sich, seine Hände fortzunehmen.
Kief sah ihn ungerührt an. »Wehrt Euch gegen ihn, Linden«, sagte er leise. »Rathan ist im Moment sehr gefährlich für Euch. Für Euch und Eure künftige Seelengefährtin.«
»Warum?« fragte Linden. Seine Stimme war heiser vor Schmerz. »Warum sollte ich noch länger warten? Ich warte seit sechs Jahrhunderten darauf, die Person mit der anderen Hälfte meiner Seele zu treffen – länger, als jeder andere Drachenlord hat warten müssen. Und Ihr wagt es, mir zu sagen, daß ich noch länger warten muß? Warum?«
»Denkt nach! Sie hat sich noch nicht verwandelt! Überlegt doch mal, was das bedeuten könnte – Ihr wißt doch, was einem Drachenlord zustoßen kann.«
Als ihm die Bedeutung von Kiefs Worten dämmerte, trat er einen Schritt zurück. »O Götter. Ich – ich verstehe. Ich kenne die Geschichten, aber ich hatte sie vergessen.«
»Ich nicht«, sagte Kief grimmig, »denn ich habe so etwas in meinem ersten Jahrhundert als Drachenlord erlebt. Und ich möchte das nicht noch einmal erleben müssen. Ihr mögt zwar oft eine unerträgliche Nervensäge sein, Linden, aber ich würde Euch nur
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