Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
beschlossen, neue Saiten auf das Instrument aufzuziehen.
Das war ein Fehler. Die verfluchten Saiten wollten ihm einfach nicht gehorchen. Sie rutschten immer wieder aus der Halterung, was seine bereits angeschlagene Gemütslage nur weiter verschlechterte. Er zwang sich, ruhig zu bleiben.
Die Tür knarrte, als sie ein Stück aufgeschoben wurde. »Was?« raunte er, erhielt aber keine Antwort. Statt dessen wurde die Tür weiter aufgeschoben. Er machte sich nicht die Mühe aufzuschauen. Sobald Aran in Reichweite war, würde er den Mann für seine Unverfrorenheit zurechtstutzen, ohne Erlaubnis eingetreten zu sein.
»Na – heute morgen haben wir aber besonders gute Laune, was?« sagte eine trockene Stimme.
»Otter!« Linden sprang auf und hätte beinahe die Harfe fallen gelassen. »O Götter, bin ich froh, dich zu sehen!«
Otter sah ihn prüfend an, während er die Tür schloß. »Die rennen da draußen herum wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen. Was hast du mit ihnen angestellt?«
Der Barde setzte sich auf einen der Stühle. »Gib her, bevor du sie zerbrichst. In deiner Laune und mit deiner Kraft wirst du dieses schöne Instrument noch zerbrechen.«
Dankbar legte Linden die Harfe auf Otters Schoß und sah zu, wie Otter mit geübten Fingern die restlichen Saiten aufzog, bevor er das Instrument vor sich abstellte.
»Also, Linden, warum zitierst du mich zu dieser unfrommen Stunde hierher?« Er zupfte ein paar Töne auf der Harfe. »Hervorragendes Instrument.«
»Danke«, sagte Linden. Er war sich nicht sicher, wie er anfangen sollte. Er murmelte etwas Unverständliches und stand auf. Aus irgendeinem Grund hatte ihn die Episode mit Harn am vergangenen Abend nachdenklich gestimmt. Als er mit Bram und Rani zusammen gewesen war, hatte er gelernt, derartige Gefühlsregungen ernst zu nehmen. Nur so konnte ein Krieger überleben. Er ging zur Tür und sah in den Flur hinaus. Niemand war zu sehen. Er schloß die Tür wieder und setzte sich gegenüber von Otter auf einen Stuhl.
»Ärger?« fragte Otter.
»Ich glaube nicht. Nur ein sonderbares Gefühl.« Er zögerte einen Moment, dann sprang er ins kalte Wasser. »Ich brauche deine Hilfe. Der Kapitän deines Schiffes – sie hieß Maurynna, oder? –, würde sie wissen, wer ihr Schiff entladen hat? Nachdem wir gestern miteinander gesprochen hatten, bin ich zum Hafen gegangen, um mir das Schiff anzusehen. Jetzt muß ich die Vorarbeiterin der Löschmannschaft finden, die gestern die Fracht entladen hat.«
»Die Vorarbeiterin der Löschmannschaft?« Otter schien irritiert. »Warum? Hat sie dir etwas gestohlen?«
Wieder überkam Linden das alles verzehrende Hochgefühl. Leise sagte er: »Mein Warten ist vorüber, Otter.« Er sah, wie sich ein freudiges Strahlen über Otters Gesicht legte.
»O Götter. Linden, du machst doch keine Witze, oder? Nein, natürlich nicht; nicht über so etwas. Endlich hast du sie gefunden.« Otters Augen blitzten verdächtig. »Wie ist ihr Name?«
Linden seufzte. »Weiß ich nicht. Wenn ich sie nach ihrem Namen gefragt hätte, hätte ich ihr auch meinen nennen müssen. Glaubst du, daß deine Kapitänsfreundin heute vormittag auf dem Schiff ist? Ich – ich würde sie gerne nach der Vorarbeiterin fragen.«
»Das solltest du tun! Sollen wir sofort gehen, oder ist für den Vormittag eine Sitzung angesetzt?« fragte Otter.
»Nein. Der Rat tritt erst mittags zusammen.«
Otter stand auf. »Na dann los. Vielleicht ist sogar deine Seelengefährtin da, falls sie gestern mit dem Löschen der Ladung nicht fertig geworden ist. Falls nicht, werden wir sie suchen. Und wenn wir sie nicht finden, werden wir Maurynna fragen. Sie wird hocherfreut sein, dir helfen zu können.« Linden sprang auf. »Gut.«
»Rynna! Nicht so schnell! Ich habe nicht so lange Beine wie du«, murrte Maylin. »Wir haben genug Zeit.«
Sie war verärgert. Mit ihren langen Beinen hatte Maurynna einen weit ausholenden Gang, aber Maylin und Kella kamen nach ihrer Mutter: klein und rundlich; »kleine Rebhühner«, wie Vater zu sagen pflegte. Sie konnte einfach nicht mit dem Tempo mithalten, das Maurynna vorgab.
Besonders bei diesem Wetter. Die Hitze war drückend, die Luft so schwül, daß man kaum atmen konnte.
Maylin hatte keine Lust, mit hochrotem Kopf und keuchend wie ein Nilpferd bei der Prozession anzukommen. Kella, die auf Maurynnas Schultern saß, hatte keine derartigen Sorgen.
Maurynna lief langsamer. »Tut mir leid«, sagte sie.
Die Entschuldigung klang ernstgemeint, so daß
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