Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
teilen zu müssen. Gib’s zu, ich habe es deinem Gesicht angesehen.«
»Die Götter mögen mir beistehen, Jungchen, aber kann man mir das übelnehmen? Mehr als sechshundert Jahre alt, und trotzdem hattest du noch diesen unverständlichen Bergakzent«, verteidigte sich Otter. »Aber wenigstens warst du ein aufmerksamer Zuhörer.«
»Das war ich. Lleld wünscht sich noch heute, daß sie dein Gesicht hätte sehen können, als du es erfuhrst«, sagte Linden.
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Otter. »Sie würde sich noch heute schieflachen.«
Maurynna fragte: »Wer ist Lleld?«
»Lleld«, sagte Linden, »ist, wie sie in den Bergen sagen würden, eine ungestüme kleine Hexe von einem Drachenlord.«
Otter fuhr fort: »Sie ist klein – vielleicht so groß wie ein zehnjähriges Kind – und findet ein perverses Vergnügen darin, Linden ›Kleinen‹ zu nennen.«
Maurynna lachte. »Du? Kleiner?«
»Das ist der traditionelle Kosename für den jüngsten Drachenlord«, sagte Linden. »Lleld nennt mich bei jeder Gelegenheit so.« Er wandte sich Maurynna zu und sagte zärtlich: »Dies ist ein wundervoller Abend, aber ich muß jetzt wirklich gehen. Wir haben morgen alle zu tun, und ich bringe deine ganze Familie um den Schlaf.«
Linden legte die in seinem Schoß schlafende Kella in die Arme ihrer Mutter. Dann gingen er und Maurynna in den Flur. Otter blieb – in stillschweigender Übereinkunft mit Elenna und Maylin – im Zimmer sitzen.
Götter, muß das schwer sein. Nach jahrhundertelanger Warterei die andere Hälfte seines Selbst zu finden – und aufstehen und gehen zu müssen, selbst wenn es nur für die Nacht ist, dachte Otter, während im Flur ihre Schritte verklangen. Er lauschte der Stille, die gelegentlich von leisem Flüstern durchbrochen wurde, und wartete auf das Geräusch der Haustür.
Als er es vernahm, überlegte er, wie lange Linden für den kurzen Heimweg brauchen würde. Um ihn herum redeten die Frauen des VanadinHaushaltes aufgeregt durcheinander. Als er meinte, daß genug Zeit verstrichen sei, stellte Otter eine Geistesverbindung zu Linden her.
Maylin sagte etwas, das mich annehmen läßt, daß du mitten in einer Affäre steckst, Jungchen, begann er, sich vorsichtig dem Thema nähernd.
Stimmt, ich hatte eine Affäre, aber Sherrine hatte zur selben Zeit etwas mit einem anderen Mann, also ist kein ernsthafter Schaden angerichtet worden.
Lindens Antwort klang überrascht, aber nicht verärgert. Otter faßte sich ein Herz und fuhr fort.
Dann hatte Maylin also recht. Oh, Jungchen, das dürfte Ärger geben.
Was meinst du? fragte Linden, nun nicht nur überrascht, sondern auch ein wenig konsterniert. Kennst du Sherrine?
Otter ermahnte sich, nicht den Kopf zu schütteln. Nicht persönlich, aber ich habe von ihr gehört. Sherrine ist eine Colrane, und die sind alle entsetzlich hochnäsig. Gerüchte am Hof besagen, daß sie zahllose Affären hatte und sich damit rühmt, nie von einem Mann verlassen worden zu sein.
Du meinst, sie war immer diejenige, die Schluß gemacht hat? Sie und ich haben darüber geredet, Otter, und ich habe ihr ausdrücklich gesagt, daß sie eventuell nicht die einzige sein würde. Sie hat es verstanden und akzeptiert. Genaugenommen, an dieser Stelle mischte sich leichte Verärgerung in Lindens Geiststimme, hat sie mir eindeutig zu verstehen gegeben, daß dasselbe auch für sie gelte. Wie gesagt, sie hatte die ganze Zeit auch etwas mit einem anderen Mann. Deswegen glaube ich nicht, daß es Ärger zwischen uns geben wird. Mache dir keine Sorgen.
Otter seufzte. Hoffentlich hast du recht, Jungchen; hoffentlich.
23. KAPITEL
Der alte Magier saß auf einem Hocker vor der Feuerstelle und rührte in einem Topf, in dem es blubbernd vor sich hin köchelte. Er führte den Holzlöffel an die Lippen und kostete vorsichtig. Eine schwarzweiße Katze strich um seine Fußknöchel.
»Fertig, Merro«, sagte der alte Mann. »Es fehlt etwas Salz, aber es wird schon gehen.«
»Miau«, antwortete die Katze.
Nethuryn stand schwerfällig auf und stöhnte wegen der Steifheit in seinen Gelenken und seinem Rücken. »Ah, Merro, Merro. Ich bin zu alt für dieses Versteckspiel. Ich denke, wir werden hierbleiben, ganz gleich, was kommt. Ist nicht so schlecht hier, nicht wahr?«
Die Katze reckte sich in die Höhe und schlug die schneeweißen Pfoten gegen die Knie des alten Mannes. »Miau!«
»Geduld, du gieriger Kerl.« Mit seinen langen Fingern zupfte Nethuryn gedankenverloren an seinem langen
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