Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
weißen Rauschbart und murmelte: »Wo habe ich die Schüsseln hingestellt? Ah! Da sind sie.«
Er schlurfte durch den Raum, nahm zwei Holzschüsseln vom Wandbrett und kehrte zur Feuerstelle zurück. Er schöpfte etwas Suppe in eine Schüssel – sorgsam darauf achtend, die wenigen Fleischstücke gerecht zu verteilen – und stellte sie auf den Boden. Die Katze rannte herbei, ließ sich vor der Schüssel nieder und machte sich mit ihrer rosafarbenen Zunge über die dampfende Mahlzeit her.
»Vorsicht! Es ist heiß. Aber es geht nichts über eine Suppe mit zartem Kaninchenfleisch, was, Merro?«
Nethuryn ließ die Katze ihr Abendmahl genießen. Unterdessen füllte er die zweite Schüssel und trug sie zum Tisch. Er brach ein Stück von dem dort liegenden braunen Brotlaib ab und tunkte es in die Suppe. Er kaute langsam und betrachtete im Schein der Öllampe den einzigen Raum in der Holzhütte, die nun ihr neues Zuhause war.
»Ist nicht das, was wir gewohnt sind, was, Merro? Aber hier sollten wir sicher sein – wir und das. « Mit einem Kopfnicken wies er auf das Kästchen, das zwischen einem zweiten Topf, weiteren Holzschüsseln, einem Steintrog und einem Tonbecher auf dem Wandbrett lag. Auf der Vorderseite des Kästchens stand in ungelenk eingeschnitzten Buchstaben »Gewürze«.
Nethuryn nahm den Blick von dem Kästchen. Vielleicht hätte er es weggeben sollen, als er die Botschaft erhalten hatte, in der es angefordert worden war. Doch er traute dem jungen Kas nicht. Nein, ganz und gar nicht. Die Erinnerung an die kalt blickenden Augen seines ehemaligen Lehrlings ließ Nethuryn heute noch erschaudern.
Deswegen war er geflohen, als er gehört hatte, daß einer von Kas Althumes Dienern nach ihm suchte.
Zu alt und schwerfällig. Meine Zauberkraft ist fast versiegt. Ich hätte Kas nie verraten dürfen, daß ich das unsägliche Ding besitze. Aber es ist nun mal geschehen, und hier sollte es gut versteckt sein, sagte er sich, während er seine Suppe löffelte. Und Merro und ich haben es warm und gemütlich, und wir sind in Sicherheit.
Zum ersten Mal seit Wochen entspannte er sich. Die kleine Hütte war gemütlich, die Suppe mit köstlichen frischen Kräutern aus dem Garten abgeschmeckt, und Merro hatte draußen einen Wald, in dem erjagen konnte. Es würde ihnen gutgehen.
Nethuryn trank den letzten Tropfen aus der Schüssel, lehnte sich müde, aber zufrieden zurück und sah der Katze zu, wie sie ihre Schnauzhaare sauberleckte. Er fiel in einen leichten Dämmerschlaf, in den alte Menschen so oft versanken.
Krachender Donner und Merros erschrockenes Miauen weckten ihn. Nethuryn kam schwerfällig auf die Beine, verwirrt und ängstlich. Ein Sturm? Nichts hatte am Tage auf einen Sturm hingedeutet.
Ein zweites Krachen. Es kostete Nethuryn wertvolle Augenblicke, bis er merkte, daß das, was er für Donner gehalten hatte, das Geräusch der zerberstenden Tür war. Er hob die Hände für einen Zauberspruch, aber es war zu spät. Die Tür flog auf. Ein Mann stand im Türrahmen. Etwas in seiner Hand blitzte im Lichtschein, dann schoß es durch die Luft.
Nethuryn fiel auf den Stuhl zurück, die Hände um den Dolch geschlossen, der bis zum Griff in seiner Brust steckte. Er erkannte den Mann und keuchte: »Pol – Kas kann doch nicht wollen, daß du mich …« Er wollte das Schlimmste noch immer nicht wahrhaben.
»Sei still, alter Narr. Du hättest mich dich nicht jagen lassen sollen«, raunte der stämmige Mann. Doch der fiebrige Glanz in seinem Blick sagte Nethuryn, daß Kas Althumes Lakai die Jagd genossen hatte – und daß er nach Mord gierte.
Mit dem in seiner Brust brennenden Dolch konnte Nethuryn nur hilflos mitansehen, wie Pol seine wenigen Habseligkeiten durchsuchte. Als erstes wühlte er in Nethuryns Bett, dann riß er mit einem mächtigen Ruck die Tür vom Kleiderschrank auf. Nethuryn versuchte, die Kraft für einen Zauberspruch aufzubringen, doch weder seine Hände noch seine Stimme gehorchten ihm. Tatsächlich war Atmen das einzige, wozu er noch imstande war. Merro drückte sich winselnd an ihn.
Pol arbeitete sich methodisch durch den Raum. Nethuryn nahm an, daß ihm die Zerstörung gefiel, die er verursachte. Ein Geheimversteck vermutend, riß Pol sogar ganze Stämme aus den Holzwänden.
Schließlich brachte Nethuryn hervor: »Nicht hier. Ich habe es vergraben.«
Pol schnaubte. »Den Teufel hast du, alter Mann. Du würdest es niemals irgendwo vergraben. Du hättest es schon vor langer Zeit hergeben sollen, als
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