Drachenlord-Saga 01 - Der letzte Drachenlord
er das näherkommende Landungsboot der Seenebel. Es würde nicht rechtzeitig da sein.
Frustriert sah er zu den Angreifern zurück. Er hatte nicht nachgedacht, als er den Strand räumen ließ, um genügend Platz für seine Verwandlung zu schaffen.
Denn genau das kam nicht in Frage. Jedenfalls nicht, solange Maurynna kaum fünfzig Schritte von ihm entfernt war. Doch
in Menschengestalt hatte er, unbewaffnet wie er war, kaum eine Chance, wenn genügend Männer über ihn herfielen. Um Rann zu verteidigen – er hatte keinen Zweifel, daß die Männer hinter Rann her waren –, mußte er das Risiko einer sofortigen Verwandlung eingehen.
Ihm blieben nur Augenblicke, um sich zu entscheiden. Falls die Männer ihn mitten in der Verwandlung erreichten und ein Schwert in den Nebel stießen, der er dann war, würde er sich in Nichts auflösen; und das wäre für Maurynna noch weitaus schlimmer.
Gequält von Unentschlossenheit, zögerte er zu lange, und die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Am Fuße der Klippen sprangen die ersten Männer in den Sand. Doch zu seiner Überraschung stürmten sie ihm nicht entgegen, sondern strafften bloß die Seile für die nachfolgenden Männer. Einer salutierte ihm sogar.
Jetzt erkannte Linden einige von ihnen. Er hatte sie im Palast gesehen, gewandet in das Königsrot der Palastwachen. Was hatten sie hier verloren?
Seine Frage wurde beantwortet, als sich Herzog Beren von Silbermärz an einem der Seile hinunterließ. Unten angekommen, zerrte der rothaarige Herzog ungeduldig die Lederhandschuhe von seinen Händen, lief über das zwischen ihnen liegende Strandstück und baute sich vor Linden auf. Bis auf einen Dolch am Gürtel war er unbewaffnet. Zwar nach wie vor wachsam, entspannte Linden sich ein wenig.
»Ich bin hier, um meinen Neffen nach Hause zu bringen«, zischte Beren. Er sah an Linden vorbei, und ein perplexer Ausdruck legte sich über sein Gesicht. Sein Blick wanderte von einer Seite des Strands zur anderen, und die Verwunderung in seinem Gesicht wuchs.
»Dort hoch?« fragte Linden spöttisch und deutete mit dem Daumen auf die fast senkrecht aufragenden Klippen. Trotzdem fragte er sich, warum Beren so verwundert aussah.
Ihre Blicke trafen sich. Einen Augenblick glaubte Linden, daß der Mann auf ihn losgehen würde. Doch Beren ließ den Moment tatenlos verstreichen. Das einzige Zeichen seines Zorns war jetzt das Ballen und Öffnen seiner großen Fäuste.
»Ganz gleich auf welchem Weg«, preßte Beren hervor.
Bevor Linden etwas entgegnen konnte, erklang eine weitere Stimme, die ebenso zornig klang wie die des Herzogs.
»Ihr werdet den Jungen nur über meine Leiche mitnehmen, mein Lord.«
Heilerin Tasha ging an Linden vorbei. Zornesröte verfinsterte ihre Züge. »Habt Ihr eine Vorstellung davon, was ein so langer Ritt Rann antun würde, mein Lord?« sagte sie mit bebender Stimme.
Beren antwortete nicht. Statt dessen ließ er – zu Lindens Überraschung – seinen Blick erneut über den Strand wandern und fragte: »Wo ist Gevianna? Sie muß hier sein. Und wo steckt Peridaen?«
»Gevianna«, fauchte Tasha, »schläft in ihrem Bett, nachdem ich ihr einen Limonentrunk mit Hopfen und Mohn verordnet habe.«
»Aber Per …«, begann der Herzog, dann schnappte sein Mund zu.
Tasha fuhr fort: »Der Gedanke an eine Schiffahrt machte Gevianna angst, und da ich sowieso mitzufahren gedachte, wurden ihre Dienste nicht benötigt. Was Prinz Peridaen betrifft, ich habe keine Ahnung, wo er steckt; jedenfalls nicht hier. Und Rann wird nicht mit Euch reiten. Als seine Heilerin kann ich das nicht zulassen.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Damit ist die Sache erledigt! besagte die Geste.
Nachdenklich faßte sich Beren ans Kinn. »Dann sind also weder Peridaen noch Gevianna hier«, sagte er. »Trotzdem, Rann kommt mit mir.«
»Nein«, sagte Tasha.
»Doch«, sagte Beren. Er hob eine Hand, als wollte er seine Männer herbeirufen.
Zeit, ein Machtwort zu sprechen. Linden tat dergleichen nur äußerst ungern. Niemand mochte seine Autorität gern von einem Außenstehenden untergraben lassen. Falls Beren ihn nicht schon vorher gehaßt hatte …
»Nein«, sagte Linden bestimmt. »Rann wird nicht mit Euch nach Hause reiten, Herzog Beren. Er wird mit uns und unter Heilerin Tashas Aufsicht an Bord des Schiffes nach Casna zurücksegeln.«
Beren lief rot an vor Zorn. Der Mann war nicht dumm. Er wußte, was als nächstes kommen würde.
»DrachenlordBefehl«, sagte Linden.
Berens Lippen
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