Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
müde, Junge«, versicherte Linden ihm rasch. »Das ist alles.« Zu Lleld sagte er im Geist: Bring es rasch zu Ende.
Und dieses eine Mal tat Lady Unruh, was man ihr sagte.
Es klopfte leise. »Hier ist der Mädesüßtee, um den du gebeten hast«, sagte Maylin auf der anderen Seite der Tür.
Linden öffnete, und Maylin kam herein, einen dampfenden Becher in den Händen. Sie hielt einen Augenblick lang inne, um erstaunt die Kaltfeuerkugeln anzustarren, die das Zimmer erleuchteten, bevor sie sich erinnerte, wieso sie hier war, und den Becher zu Maurynna brachte, die aufrecht im Bett saß. »Haben wir so etwas nicht schon öfter getan?«
»Ja«, sagte Maurynna mit müdem Lächeln. »Danke.« Ihre Hände zitterten, als sie nach dem Becher griff. Linden streckte die Hand aus, um ihr zu helfen, aber sie schüttelte den Kopf und trank.
»Ich weiß nicht, ob ich mich an diese Dinger je gewöhnen kann«, murmelte Maylin und streckte die Hand aus, um eine der schimmernden weißen Kugeln zu berühren. Sie hatte ihre verschiedenfarbigen Augen weit aufgerissen. Das Kaltfeuer bewegte sich unter ihrem vorsichtigen Finger wie ein Korken im Wasser und kehrte an seinen Platz zurück, als Maylin die Hand wieder sinken ließ.
»Ich weiß, was ihr drunten gesagt habt«, begann sie so gleichmütig, als spräche sie über das Wetter, »aber ich weiß auch, daß es nur Unsinn war. Ihr wollt uns nicht wirklich besuchen. Ihr habt irgendeinen Auftrag – und einen gefährlichen, befürchte ich.«
Linden warf Maurynna einen verblüfften Blick zu. »Unsinn«, setzte er an, »was …«
Maylin stützte die Hände auf die Hüften und starrte ihn nur an, eine Augenbraue hochgezogen.
Er versuchte erst gar nicht, diesem Erzähl-mir-keinen-Unsinn-Blick standzuhalten. »Woher weißt du das?«
»Ah, weil ihr zwar alle unbeschwert tut, aber hin und wieder einer von euch ernst wird«, sagte Maylin. »Und …« Sie machte ein vage Geste. »Ich wußte es einfach.«
Darauf gab es keine Antwort.
»Wohin?« fragte Maylin schließlich.
Maurynna sagte: »Erinnerst du dich an den Jadekasten von Sherrine? Den, den ich dir gegeben habe?«
Maylin öffnete verblüfft den Mund. Nach einem oder zwei vergeblichen Versuchen keuchte sie: »Jehanglan? Ihr geht nach Jehanglan? Aber warum?«
»Um das Unmögliche zu tun«, erwiderte Maurynna, und in ihren dunklen Augen stand Angst.
23. KAPITEL
Graf Tyrian hatte gute Arbeit geleistet. Nur vier Tage später stand ein Schiff für sie bereit.
Maurynna beäugte die Umgebung und ihr Schiff. Sie war nie an diesem Ende der Docks am Uildodd gewesen. In dieser Gegend hielten sich ehrenhafte Kaufleute normalerweise auch nicht auf.
Allerdings, dachte sie, konnte der Augenschein täuschen. Für einen flüchtigen Blick hätte das Dock so gut wie verlassen gewirkt wenig benutzt und in schlechtem Zustand. Aber ihr geübtes Auge bemerkte, daß das Holz und die Taue trotz Schmutz und Staub in gutem Zustand waren, in sehr gutem Zustand, ebenso wie – und das war noch wichtiger – das Schiff, das dort vertäut war: eine unauffällige Kogge namens Schwanenherz.
Sie nickte. Sie konnte sich durchaus vorstellen, daß ein Herrscher ein solches Schiff brauchte, um es in delikaten – und sehr vertraulichen – Angelegenheiten auszusenden, und ein solches Schiff wiederum mußte irgendwo vor Anker gehen. Und sie hätte gewettet, daß die Mannschaft der Schwanenherz zwar aussah wie die übelste Bande von Halsabschneidern, die ihr je unter die Augen gekommen war, aber daß ohne Zweifel jeder treu zur Krone stand, wußte, wie man den Mund hielt, und vor allen Dingen imstande war, auch noch den Göttern davonzusegeln.
Daher wartete sie, überzeugt, nur in guten Händen zu sein, mit den anderen: Onkel Owin und Tante Elenna, Maylin und Kella, Otter, Lleld und Jekkanadar. Linden und Raven waren an Bord und halfen mit den Tieren. Selbst Rann war hier mit Graf Tyrian, beide als Diener verkleidet. Taren stand ein wenig abgesondert in seine Gedanken versunken. Maurynna fragte sich, ob er es bedauerte, zugestimmt zu haben, wieder mit nach Jehanglan zu kommen.
Der Wind drehte sich; der Geruch nach Docks und Fluß verschwand. Nun kam der saubere Duft salziger Luft, das Versprechen der Freiheit und der See. Nun würden ihre Horizonte wieder grenzenlos sein, das Blau von Wasser und Himmel einander begegnen, und sie wäre nicht mehr von einem gezähnten Zaun aus Bergen umgeben. Sie würde ein lebendiges Schiff unter ihren Füßen tanzen
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