Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
spüren.
Warum fühlte sie sich dann so elend? Danach hatte sie sich doch die ganze Zeit mehr als nach allem anderen gesehnt.
Oder?
Die Seeluft zupfte an ihrem Haar und umspielte sie, gab aber keine Antwort. Seufzend blickte Maurynna auf und sah, wie Tarens Pferd sich in die Luft erhob, als die Arbeiter sich in die Winde stemmten. Kella und Rann, die sich nun an den Händen hielten, starrten das Spektakel an, ihre Münder staunende O. Der Wallach hing in seiner Segeltuchschlinge, still und unglücklich. Zumindest machte er viel weniger Ärger als die Llysanyaner. Der Gedanke an eine Seereise hatte die Pferde alles andere als begeistert. Beim Anblick des Schiffes waren sie alle störrisch geworden. Shan hatte sogar versucht, Linden zu treten, als man ihm am Dock die Segeltuchschlinge umwickelte. Nur Lindens Geschwindigkeit hatte ihn gerettet; dieses Mal hatte Shan keinen Scherz gemacht. Miki war allerdings schneller mit ihren Zähnen gewesen. Maurynna nahm an, Linden würde am Abend einen gewaltigen blauen Fleck auf der Schulter haben.
Sollte Linden jemals herausfinden, wer den Llysanyanern von Seekrankheit erzählt hat, wird er diesen Leuten bei lebendigem Leib die Haut abziehen.
Der Kran schwang über das Wasser, und Tarens Pferd schaute noch elender drein als zuvor. Dann hing es auch schon über dem Schiff. Langsam und vorsichtig drehten die Männer das große Rad in die entgegengesetzte Richtung. Der Wallach wurde in den Frachtraum abgesenkt, die offene Luke wartete wie ein Maul, das unglückliche Tiere verschlingt. Maurynna schauderte bei dem Gedanken, als das Pferd im Schiff verschwand.
Einen Augenblick später kam Linden aus dem Frachtraum geklettert. Er rief den Seeleuten drunten etwas zu und ging dann übers Deck. Maurynna sah, daß Kapitän Hollens ihn ansprach; Linden lauschte und rieb seine Schulter. Ein Blick auf den Fluß, und sie wußte, was der Kapitän gesagt hatte. Linden nickte und kam die Laufplanke herunter.
»Alles in Ordnung?« fragte Maurynna, als er sie erreichte.
»Nach viel zuviel Theater, ja«, knurrte Linden und zuckte zusammen, als er seine Schulter erneut berührte. »Zur Hölle mit Miki, ich hätte nicht gedacht, daß sie so etwas versuchen würde.« Er warf der Reiterin der kleinen Stute einen erbosten Blick zu.
Lleld starrte in die Ferne und pfiff leise vor sich hin.
»Das geht nicht so weiter, wenn wir an Bord sind«, sagte Maurynna scharf. Auf Llelds überraschten Blick hin schlug sie einen sanfteren Tonfall an. »Es bringt Pech, an Bord eines Schiffes zu pfeifen, wenn man keinen Wind braucht. Und um diese Jahreszeit werden wir keinen brauchen.« Sie drehte sich um, als weitere Schritte auf der Laufplanke ertönten.
Es war Raven – ein Raven, der sich nicht zurückhielt. Maurynna sah, wie er höhnisch über Lindens Unbehagen grinste, und unterdrückte das Bedürfnis, ihm einen Tritt zu verpassen. Statt dessen kniff sie nur ein wenig die Augen zusammen und wartete, bis er ihren wütenden Blick bemerkte.
Dann sah er sie. Er wand sich unter diesem Blick, bis sie -beinahe – zufrieden war. Der Rest würde warten müssen, bis sie in der Lage war, ein paar vertrauliche Worte mit ihm zu wechseln.
Dann hörte sie Linden sagen: »Wir müssen an Bord gehen; Kapitän Hollens sagt, daß die Gezeiten wechseln, und wir müssen uns auf den Weg machen.« Es kam ihr so vor, als versuchte die ganze Familie, sie gleichzeitig zu umarmen, alle murmelten Abschiedsworte, wünschten ihr eine sichere Reise und baten sie, bald zurückzukehren. Sie verkniff sich die Tränen und sagte, was immer ihr einfiel, sinnlose tröstliche Bemerkungen, und sie tat weiterhin so, als wäre sie auf einer Vergnügungsreise.
Plötzlich war Maylin wie ein Wirbelwind vor ihr. Verschiedenfarbige Augen blickten in verschiedenfarbige Augen. Hände packten die ihren; wie konnte so ein kleines Ding wie Maylin einen so kräftigen Griff haben? Maurynna ergab sich ihm.
»Kommt zurück«, flüsterte Maylin heftig. »Alle. Sicher.« Der glühende Blick schoß zu Raven. »Kommt zu mir zurück.«
Dann war Maylin weg, und Linden legte ihr die Hand auf die Schulter. »Zeit zu gehen, Liebste«, flüsterte er, so daß nur sie es hören konnte.
Sie nickte, denn sie war nicht in der Lage zu sprechen; die Götter allein wußten, wann sie all diese Menschen wiedersehen würde. Oder ob überhaupt. Linden reichte Rann zurück zu Tyrian und griff nach ihrer Hand.
Irgendwie schaffte sie es, an Bord zu kommen, ohne die Tränen
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