Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
nochmals nein. Für so etwas würde man nicht nur eine ganze Bande von Magiern brauchen, sondern eine Armee von ihnen.
Und das war unmöglich. Es lag einige Wahrheit in der alten Kindergeschichte über die sechs albernen Magier, die sich über die beste Möglichkeit, Sahne zu Butter zu schlagen, stritten. Von Meistern und ihren Schülern einmal abgesehen, waren Magier berüchtigterweise Einzelgänger und streitsüchtig. Man könnte ebensogut versuchen, eine Herde Frettchen zu hüten, wie eine Gruppe von Magiern zu friedlicher Zusammenarbeit zu veranlassen; das Unternehmen mit den Frettchen hätte größere Aussichten auf Erfolg, wäre erheblich weniger anstrengend und viel amüsanter.
Nein, das hier klang nach dem Geschwätz eines Menschen, der den Verstand verloren hatte. Es mußte einfach so sein.
»Ihr haltet mich für dumm, weil ich glaube, daß in Jehanglan ein Echtdrache gefangengehalten wird, nicht wahr?« Der Zorn war wieder da.
Linden holte Luft, um zu antworten. Er war nicht sicher, wie er seine Worte mildern könnte, oder ob er es auch nur sollte. Aber bevor er noch etwas sagen konnte, wurde er unterbrochen.
»Wenn es darum geht, dann gibt es hier mehr Dumme als dich.«
Maurynna kam auf sie zu, Lleld kaum einen halben Schritt hinter ihr. Der kleinste Drachenlord hatte die Augen weit aufgerissen, und sie schwieg ausnahmsweise. Tatsächlich schien sie zu verblüfft zu sein, um ein Wort herauszubringen.
Das war kein gutes Zeichen. Überhaupt nicht. Linden holte tief Luft.
Maurynna fuhr fort: »Soeben sind fünf Echtdrachen gelandet.«
Begleitet von Murohshei und Tsiaa begab sich Shei-Luin zu jenem Flügel des Palastes, in dem sich die kaiserlichen Kinderzimmer befanden. Die Wachen am Eingang starrten sie an; dann erinnerten sie sich, daß es ihnen nicht gestattet war, eine kaiserliche Konkubine anzuschauen, und sie wandten verwirrt den Blick ab. Als einer dazu ansetzte, seinen Speer quer über den Eingang zu halten, um ihr den Weg zu verstellen, schlug sie ihm mit dem Fächer aufs Handgelenk.
»Ich komme, um meinen Sohn abzuholen«, sagte sie kühl.
Der Speer wurde langsam zur Seite gezogen.
Aber eine der Frauen drinnen hatte sie gehört. Hami, Gattin des kaiserlichen Ministers Musahi, kam zur Tür.
»Ihr solltet nicht hier sein«, erklärte sie mißbilligend. »Die Kinderfrau des Erlauchten Xahnu wird ihn in den Garten bringen.«
»Nein«, sagte Shei-Luin. »Ich werde meinen Sohn selbst holen, und nun tretet beiseite, damit ich das tun kann.«
»Aber …«
Shei-Luin starrte sie nieder. Die Gattin des Ministers verzog die Lippen zu einem dünnen Strich, aber sie trat beiseite. Shei-Luin betrat das Kinderzimmer.
Das Hauptgemach war ein helles Zimmer, dessen Wände Bilder mit Frühlingsmotiven zierten. In einer Ecke saßen Musiker und spielten leise, um mögliche kindliche Wutanfälle zu beruhigen. Zofen huschten umher und hoben Spielzeug auf.
Inmitten des Zimmers stand Xahnus Kinderfrau, eine Frau mittleren Alters, und kommandierte die Zofen herum. Sie hielt den Erben des Phönix auf der Hüfte.
Xahnu entdeckte seine Mutter und krähte entzückt. Die Kinderfrau drehte sich um und runzelte die Stirn, als sie Shei-Luin entdeckte.
»Ich trage meinen Sohn selbst«, sagte Shei-Luin und streckte die Arme aus. Xahnu beugte sich auf sie zu.
Die Kinderfrau riß ihn zurück. »Das ist nicht die richtige Art«, schnaubte sie. »Ich bin seine Kinderfrau und …«
Shei-Luin lächelte, ganz Seide und Stahl. »Und ich sage, daß du heute frei hast. Gib mir Xahnu. Oder muß ich erst mit dem Erlauchten Phönixherrscher sprechen?«
Angst stahl sich in den Blick der Kinderfrau; alle im Palast wußten, daß Shei-Luin der Augapfel des Kaisers war. Man machte sich die Erste Konkubine nicht zur Feindin, wenn man es vermeiden konnte. Die Frau reichte Xahnu seiner Mutter.
Shei-Luin küßte ihren Sohn auf die Stirn, als der Kleine seine kräftigen Arme um ihren Hals schlang. »Komm, kleiner Phönix, heute ist ein Feiertag«, sagte sie liebevoll zu ihm.
Als sie das Kinderzimmer verließen, fragte Shei-Luin sich, ob sie Xiane wohl dazu überreden könnte, zuzulassen, daß sie Xahnu besuchte. Der Brauch verlangte, daß eine Konkubine, die Mutter eines Erben war, nichts mit ihm zu tun hatte, damit sie den künftigen Kaiser nicht beeinflussen konnte.
Man hatte es Xianes eigener Mutter gestattet, ihn aufzuziehen, aber nur, weil sie eine Favoritin des alten Kaisers gewesen war und weil Xiane zwei ältere Brüder
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