Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
gehen. Sirl wird Euch helfen.«
Taren runzelte die Stirn und fragte: »Versammlung …? Herrin, wer ist dieser Morien?«
»Einer der weisesten Echtdrachen und ein guter Freund der Drachenlords. Ich schätze – Taren, ist etwas nicht in Ordnung?« Die Miene des Mannes zeugte von Panik.
»Ich möchte lieber nicht …«
Unklares Mißtrauen stieg auf wie Nebelschwaden. Die Herrin fragte: »Und warum nicht?«
»Weil …« Ein plötzliches, schüchternes Lächeln von unglaublicher Liebenswürdigkeit ließ das Mißtrauen wieder verblassen. »Weil ich nur ein Sklave bin, der Geringste der Geringen, und nicht würdig, dem Herrn des Himmels zu begegnen, Herrin. Ich bin nicht würdig.«
Gerührt erklärte die Herrin: »Ihr seid kein Sklave mehr, und daß Ihr es einmal wart, bedeutet einem wie Morien nichts. Was zählt, ist Euer Mut, mit dem Ihr zu uns gefunden habt, damit wir uns um dieses Unrecht kümmern können. Aber ich möchte, daß er die Geschichte von Euren eigenen Lippen hört. Er hat vielleicht Fragen, die ich nicht beantworten kann.«
Einen Augenblick lang befürchtete sie schon, Taren würde sich weigern; er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Dann sagte er so leise, daß sie, wäre sie ein Echtmensch gewesen, bezweifelt hätte, ihn gehört zu haben: »Wie Ihr wünscht, Herrin«, und zog das Tuch fester um sich, als suchte er Trost in seiner Wärme.
Als sie ihm hinterhersah, wie er schwer auf Sirls Arm gestützt aus dem Zimmer schlurfte, wurde es ihr klar: Der Mann war nicht an Drachen gewöhnt! Selbstverständlich hatte er Angst; die meisten Echtmenschen hatten Angst, wenn man von jenen absah, die im Schloß aufgewachsen waren.
Es war wirklich Schon zu lange her, seit sie sich in der Welt außerhalb vom Drachenhort aufgehalten hatte! Sie folgte den anderen und schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Erklärt mir das«, sagte Linden barsch. Er war nicht in der Laune, diesem Jungen gegenüber großzügig zu sein. Er wußte nicht, was Raven zu seiner Seelengefährtin gesagt hatte, aber er hatte gesehen, wie sie aus der Halle geflüchtet war. Der Junge hatte sie schrecklich aufgeregt.
Und nun versuchte er, ihnen eine Geschichte zu erzählen, die noch wilder war als die eines betrunkenen Barden. Linden verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.
Zunächst wurde der junge Mann vor Zorn rot; dann erbleichte er. Er hatte die Herausforderung also bemerkt. Also gut, sollte er seine unbedachten Worte wiedergutmachen.
Langsam erhob sich Raven. Er ging auf Linden zu und blieb kaum einen Schritt vor dem Drachenlord stehen. Die Hände am Gürtel, starrte er Linden in die Augen und verzog zornig das Gesicht.
Linden erwiderte den Blick. Aber bei all seinem Zorn mußte er zugeben, daß der Junge Mut hatte. Nur wenige hätten es gewagt, sich den Zorn eines Mannes von seiner Größe zuzuziehen, selbst jene nicht, die ihn für einen Echtmenschen hielten. Aber einen Drachenlord herauszufordern, einen, von dem bekannt war, daß er stärker und schneller war als die Menschen, erforderte mehr Tapferkeit, als die meisten für sich beanspruchen konnten. Oder, dachte Linden, erheblich weniger Verstand.
Aber welch andere Fehler er auch haben mochte, Raven machte keinen dummen Eindruck. Er sah so aus, als wollte er tatsächlich sein Glück in einem Kampf versuchen. Linden hielt sich bereit, den Faustschlag abzufangen, mit dem er sicher rechnete. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Otter die Arme hob, um die Kontrahenten voneinander zu trennen.
Statt dessen verdiente sich Raven Lindens widerstrebende Hochachtung, indem er seinen Zorn beherrschte und ruhig, wenn auch mit wütendem Unterton erwiderte: »Wie Ihr wünscht, Drachenlord. Ich weiß nicht, ob Maurynna Euch irgend etwas von mir erzählt hat, oder was Ihr noch von der Begegnung mit meinem Vater vor so langer Zeit wißt, aber er ist nun Wollhändler in Thalnia.«
Linden nickte. »Ich erinnere mich.« Und er erinnerte sich tatsächlich sehr gut; die Bilder standen deutlich vor seinem geistigen Auge. Was aus Ravens echtmenschlicher Perspektive so lange her schien, war für Linden noch nicht allzulange vergangen. »Ihr wart drei oder vier Jahre alt. Es war, bevor Euer Vater Yerrih verließ und nach Thalnia ging; er glaubte, da Thalnia so viel näher an Assantikk liegt, dort besser zurechtkommen zu können. Hatte er Erfolg?«
»Ja«, erwiderte Raven. »Und deshalb bin ich heute hier und niemand sonst – falls überhaupt jemand sonst Taren geglaubt hätte.
Bevor Maurynna
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