Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
sich überzeugen lassen, daß sie nicht am Sterben war.
Nun fragte sie sich, welche Gerüchte über ihre Krankheit im Umlauf gewesen waren. Zu viele blieben stehen, als Linden und sie vorbeikamen, fragten nach ihrer Gesundheit und betrachteten sie, als würde sie schon von einer Berührung zerbrechen. Als sie endlich ihren Tisch erreichten, war Maurynna schon müde davon, so zu tun, als fühlte sie sich besser, als es tatsächlich der Fall war. Aber sie würde nicht aufgeben; sollte die Herrin ruhig hören, daß alles mit ihr in Ordnung war, und darüber staunen.
Endlich hatten sie den Tisch erreicht, den sie normalerweise mit Lleld und Jekkanadar teilten. Die anderen Drachenlords saßen bereits, und bei ihnen saß Otter. Erfreutes Lächeln begrüßte sie.
»Wo ist Raven?« fragte Maurynna. »Und um der Götter willen, fragt mich nicht, wie es mir geht!«
Rings um den Tisch klappten Münder zu.
»Ich weiß es nicht«, sagte Otter nach einem Augenblick. »Nachdem ich euch vor einer Weile verlassen hatte, kehrte ich in meine Gemächer zurück und sagte ihm, daß du heute abend zum Abendessen kommst. Dann ging ich in mein Schlafzimmer, um diese zerrissene Harfensaite zu ersetzen und, nun ja, mein Schläfchen zu halten. Als ich aufwachte, war er weg. Und er hat auch keine Nachricht hinterlassen.«
Geht er mir aus dem Weg? So ein Idiot, dachte Maurynna, als sie sich hinsetzte. Ich kann nicht glauben, daß er irgendwo sitzt und schmollt, weil ich nach dieser Begegnung mit Morien und den anderen Echtdrachen nur Linden in meiner Nähe haben wollte und nicht ihn. O Raven, warum willst du das nicht verstehen?
Mehr Drachenlords kamen vorbei. Jeder fragte sie, wie es ihr ginge. Maurynna setzte ein starres Lächeln auf und versicherte allen, daß es ihr, danke, gutging. Kopfschmerzen und Übelkeit, nichts weiter und ja, Fiarans Arzneien hatten geholfen. Ja, war es nicht gut, daß es einen Heiler im Schloß gab? Man konnte schließlich nicht erwarten, daß wegen jeder Kleinigkeit ein Drachenlord zu einer Heilung herangezogen wurde.
Endlich schienen alle überzeugt, daß sie nicht auf der Stelle tot umfallen würde, und ließen sie in Ruhe. Sie sackte zusammen.
Linden streckte die Hand aus und rieb ihr das Genick. Schon müde, Liebste? In seinen dunkelgrauen Augen stand Mitgefühl.
Ihr Götter, das fühlt sich gut an, sagte sie und lehnte sich gegen seine kräftigen Finger. Ein wenig, ja; Kyrissaean ist heute abend sehr wach, und das erschöpft mich immer – nein, hör nicht auf.
Aber als die Gespräche plötzlich lebhafter wurden, ließ Linden seine Hand sinken; er schaute zur hohen Tafel, wo die Herrin saß. Maurynna reckte den Hals, um herauszufinden, was die Unruhe erregt hatte.
Erschrocken erkannte sie Raven, der langsam auf die hohe Tafel zuging. Er begleitete einen gebrechlich aussehenden Mann, hatte eine Hand unter dessen Ellbogen gelegt und führte seine unsicheren Schritte zu dem Platz zur Rechten der Herrin.
Als der Schein des Kaltfeuers über dem Tisch auf ihn fiel, dachte Maurynna, das Gesicht des Mannes sähe aus wie ein Ball aus verknitterter, vergilbter Seide. Nur Falten und Linien. Was von seinem Haar geblieben war – sein Oberkopf war vollkommen kahl –, war weiß und schütter und ungewöhnlich kurz geschnitten.
Als Raven sich umdrehen und gehen wollte, hielt ihn der Mann am Arm fest. Er sprach kurz mit der Herrin und mit Kelder. Am Ende setzte sich Raven auf der anderen Seite des Mannes nieder. Er schaute halb verlegen, halb erfreut drein und vollkommen verblüfft, sich am Tisch der Herrin von Schloß Drachenhort zu finden.
»Zumindest hat er heute abend sein bestes Hemd angezogen«, seufzte Otter, und dann sagte er bedächtig: »Das ist also Taren Olmeins.«
»Der Mann, der aus Jehanglan geflohen ist?« fragte Lleld. Einen Augenblick lang befürchtete Maurynna, sie würde auf den Tisch klettern, um besser sehen zu können.
»Genau«, erwiderte Otter. »Raven hat ihn mir beschrieben. Es sieht so aus, als hielte man seine Geschichte für wahr, wenn man ihn dadurch ehrt, am Tisch der Herrin zu sitzen.«
Ein Drachenlord beugte sich von einem anderen Tisch herüber. »Barde Otter, das ist doch Euer Großneffe, nicht wahr«, rief Merlet Kamenni.
»Das ist er, Drachenlord«, sagte Otter.
»Nun, das erklärt natürlich auch, wer der andere Mann ist.«
Der Drachenlord nickte. Ihr langer brauner Zopf fiel ihr über die Schulter. »Seltsam, daß er zuvor nicht hier erschienen ist.«
»Das
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